Bosnischkroatische Autorin und Kulturkritikerin Asja Bakić schreibt Gedichte, Kurzgeschichten und Essays. Im neuen Erzählband „Mars“ sinniert die Autorin über zehn Frauen, die sich in unterschiedlichsten Universen befinden.
Was macht dieses skurrile Büchlein so lebensecht?

Asja Bakić beschreibt in ihrem Erzählband „Mars“ alternative Universen und fremde Planeten, dennoch sind ihre Geschichten in unserer Realität verwurzelt.
Obwohl die surrealen Milieus vielleicht auf unserer Erde nicht so auffindbar sind, wie die Autorin sie schildert.
Zehn Erzählungen beinhaltet der zur Reihe „kurze Form“ gehörender Band. Maximal zwanzig Seiten füllen die in knapper Form gehaltenen Geschichten.
Bakić‘ Fantasie hingegen besitzt wesentlich beeindruckendere Amplituden.
Wo rein umfangstechnisch nur eine Exposition zu finden ist, fliegt die Fantasie der Autorin einmal um die Welt:
Bereits die erste Geschichte birgt köstliche intertextuelle Hinweise auf Bulgakow, Ilf und Petrow, als in „Reise zum Durmitor“ eine verstorbene Autorin plötzlich im Vorraum der Hölle vor zwei Sekretärinnen steht.
“ „Gott ist in der Badewanne ausgerutscht“,
sagte Zubrovka nach ein paar Minuten.
Ich glaube ihr nicht. Die Art, wie sie Tristessa Blicke zuwarf,
verriet, dass beide sehr, sehr unartig waren.“(8)
Da die Autorin sich in „Mars“ an unterschiedlichen Genres ausprobiert hat, divergieren alle Geschichten vom Stil her voneinander. Wer mit Satire weniger anfangen kann, findet im Erzählband an Krimi, Sci-Fi, Liebesroman oder auch Thriller anlehnende Passagen.
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Frisch verstorbene Großelternleichen, dysfunktionale pansexuelle Liebesbeziehungen, Auseinandersetzungen mit Körperidealen, Konkurrenzkampf zwischen Mörderinnen, dystopische Alltagsszenen von anderen Planeten – jedmögliche Ideen, Theorien und Szenarien arbeitet die Autorin in ihren Erzählungen aus.
Auf den ersten Blick erscheint die kurze Form weniger aussagekräftig, da nur Konzepte geboten werden – in den meisten Fällen sollen Leser:innen die begonnenen Geschichten jedoch in der eigenen Fantasie weiterentwickeln.
Andere Erzählungen machen allerdings Lust darauf, längere Inhalte von Bakić selbst weiterzulesen – genauer und expliziter zu erfahren, welche Konflikte und Entwicklungen sie für das entworfene Universum noch in petto hätte.
Es wäre eigentlich maßgebend zu etablieren, ob ihre Figuren grundsätzlich aufs Überleben oder Scheitern zulaufen. Die Autorin hat an dieser Stelle jegliche Verantwortung abgegeben.
Das könnte man kritisieren – oder ihr hoch anrechnen.
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Einige ihrer Ideen befördern Bakić in eine Grauzone zwischen Huldigung und Imitat.
Die Erzählung „Asja 5.0“ beispielsweise ruft die Serie „Orphan Black“ in Erinnerung.
„Der Talus von Frau Lichen“ bewirkt eine direkte Visualisierung von Ottessa Moshfeghs Krimi „Der Tod in ihren Händen“ oder diversen Romanen von Amélie Nothomb. Zugegebenermaßen gibt Bakić auf Anhieb mehr von ihrer Figur preis – eine komplexere Szene wäre anhand der geringen Seitenzahl auch nicht denkbar…
…beziehungsweise nicht empirisch realisierbar, da in kurzer Form zu schreiben beabsichtigt wurde. Man wird eben von jeder der Erzählungen zum eigenständigen Weiterweben ermutigt.
„Es gibt keine Spuren. Ich lächele –
all diese Jahre, und das ist die erste Leiche, die sie gefunden haben.“(37)
Der entscheidende Punkt liegt schließlich in denjenigen Aspekten, die die Protagonistinnen vereinen: Sie sind Frauen, Autorinnen, Subversive. Sie haben ihre Gesellschaft (je nach Einzelfall mehr oder weniger) freiwillig verlassen und müssen sich nun individuell in einer Realität voller fantastischer Wesen, unheimlicher Drohungen und Lebensgefahr durchschlagen.
Schließlich beschreibt „Mars“ nichts anderes als die alltägliche Realität einer jeden Person, die von ihrem Umfeld an einer individuellen Entfaltung abgehalten wird; die sich in ihrer Außenwelt nicht vollständig befreien kann.
Asja Bakić lädt ihre Leser:innen dazu ein, diese Befreiung in ihren Geschichten zu erfahren; sich von der Fantasie der Erzählungen beflügeln zu lassen; die eigene Existenz in neue Realitäten zu transportieren und eventuell sogar etwas Neues in sich selbst zu entdecken.
Jetzt heißt es nur, sich auf dieses Abenteuer einzulassen.
Nicht jede:r wird dazu fähig sein. Und das ist schade.
Hier geht’s zur Leseprobe.
Bibliografie:
Titel: Mars
Autor:in: Asja Bakić
Übs.:in: Alida Bremer
160 Seiten | 20,00 € (D)
Erscheinungsdatum: 08.03.2021
Verlag: Verbrecher Verlag
ISBN: 9783957324740
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Mehr literarische Abenteuer:
Literarische Abenteuer. Walter Tevis: „Das Damengambit“
Wenn emotionale Authentizität narrative Klischees überflügelt. Caleb Azumah Nelson: „Freischwimmen“
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Kategorien:Home, Neuerscheinungen
Die Autorin kannte ich noch gar nicht, aber deine Leseprobe macht mich neugierig. Kommt auf meine Liste!
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Vielen Dank, liebe Heike, das freut mich!
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