Die kuwaitisch-britische Autorin, Journalistin und Literaturwissenschaftlerin Layla AlAmmar schreibt Romane, Essays und Kurzgeschichten und promoviert derzeit in Großbritannien über arabische Frauenliteratur.
Ihr zweiter Roman „Das Schweigen in mir“ (Silence is a sense, 2021) handelt von der fragmentierten Innenwelt einer jungen aus Syrien nach England geflüchteten Journalistin, die ihre Nachbarschaft stillschweigend aus ihrem Wohnzimmerfenster beobachtet. Inmitten der Verinnerlichung verzerrter Blicke in die Gegenwart versucht sie eine Stimme für die Übermittlung ihrer eigenen Geschichte zu finden.
Der Prozess ist schmerzhaft bis überwältigend, die Erinnerungen traumatisch.
Das Buch: harter Tobak.
Warum ist der Titel dieser enorm bewegenden Geschichte so vielsagend, wieso verweigert die Protagonistin vehement aktive Kommunikation mit der Außenwelt – und auf welchen Wegen gelingt es ihr, das Schweigen zu überwinden?

Layla AlAmmars neuester Roman „Das Schweigen in mir“, aus dem Englischen von Yasemin Dinçer, zeigt zunächst eine junge Journalistin bei intimen Beobachtungen ihres Umfeldes in den Türmen eines Wohnblocks.
Die Protagonistin späht hinter die Kulissen der West, North und East Tower und erhält einen dezidierten Blick auf die Mitspielenden ihrer unmittelbaren Gegenwart – der des Öfteren nichts mit derjenigen Fassade zu tun hat, die die Nachbar*innen der Außenwelt zeigen.
So interessant und ambivalent diese Leben, diese Persönlichkeiten, diese Dynamiken, die lokalen Gespaltenheiten und inneren Konflikte in den Wohnungen auch sind, wendet sich das narrative Buchblatt schnell zur eigentlichen, noch heftigeren Geschichte.
Denn vor allem besteht die Diskrepanz zwischen Zeigen und Sein bei der Protagonistin selbst – die – nicht ihrer Nachbarschaft, doch den Lesenden – nicht nur über ihre Gegenwart, sondern auch über ihre Vergangenheit erzählt.
Nach und nach – auf Verlangen ihrer Redakteurin mit zunehmender Intensität – wühlt die Protagonistin in ihrem inneren, gräbt Erinnerungen an dasjenige hervor, was ihr in Syrien und nachher auf Fluchtwegen passiert ist – und scheitert immer wieder daran, die in ihr brodelnden Stimmen und Gedanken an die literarische und die physische Oberfläche ihrer Gegenwart, ihrer Umwelt, dringen zu lassen.
Denn die Lebensgeschichte, die zwischen den stürmischen Wellen des Gedächtnisgewässers nach und nach sichtbar wird, mutet bereits mit sanften Linien gezeichnet an wie ein unsägliches Ungeheuer.
„Meine Träume sind unwirtliche Wälder,
dunkel und unheimlich in ihrer Hässlichkeit […].“(28)
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Mehr wollen sie wissen, mehr über ihre unmittelbaren Erlebnisse hören – bis sie unverblümt über die Freunde und Verwandten erzählt, die in Syrien und auf der Flucht missbraucht, verletzt und ermordet worden sind. Männer, Frauen, Kinder.
Die Geschichten, die schließlich aus den dunkelsten Ecken des Durchlebten runtergeprasselt kommen, werden danach von den Lesenden – und der Redakteurin – als Fiktion eingestuft. Denn so etwas kann doch nicht wirklich passiert sein.
Oder?
„Und dann ist da eine Zeichnung von mir.
Ich stehe an meinem Fenster, nicht auf dem Balkon,
die Handflächen gegen die Scheibe gepresst,
die Augen vor Schrecken aufgerissen,
den Mund verdeckt mit einem breiten weißen Klebestreifen.“(259)
Schlussendlich werden beide Handlungsstränge miteinander vereint: die Beobachterin wird ebenso von den anderen wahrgenommen, beobachtet, rezipiert, eingeordnet und interpretiert. Sie ist ein Teil der Tower-Gemeinschaft – wenngleich ein stummer.
Es muss eine erneute lebensgefährliche Situation eintreten als Erlösung, als Rettung – als Druck auf dem Schalter, der die Stimme der Protagonistin als Schrei endlich aus der Kehle dringen lässt.
AlAmmar schreibt treffsicher und scheut nicht vor brutalen Beschreibungen zurück. Doch ist ihr Text ebenso lyrisch angehaucht, enorm facettenreich auf vielen menschlichen Ebenen – und mit beeindruckendem Informationsgehalt ausgestattet.
Die Tatsache, dass ihre Protagonistin gebildet und belesen ist, hebt sie ebenso von der Masse ‚typischer‘ geflüchteter Person ab und nimmt ihr die Chance, als hilfsbedürftig akzeptiert zu werden. Zu intelligent, zu dezidiert sollen ihre Beiträge sein, um diese mit der notwendigen Empathie für eine Person angeblich in Not ernst nehmen zu können.
„Sie bezeichnen mich als Teil der Elite,
beschuldigen mich des intellektuellen Snobismus […].“(140)
Enthüllt die Protagonistin sich schließlich; gelingt es ihr aus ihrer Stille zu steigen; ihrer Anonymität, ihrer Einsamkeit ein Ende zu setzen und sich als sichtbares Individuum – zeitgleich intelligente und vollwertige Person und als Geflüchtete – zu behaupten?
Diese Entdeckung möchte ich mutigen Lesenden überlassen, die keine Scheu vor härtestem Tobak haben.
Es lohnt sich.
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Bibliografie:
Titel: Das Schweigen in mir
Originaltitel: Silence is a sense
Autor*in: Layla AlAmmar
Übs.*in: Yasemin Dinçer
338 Seiten | 24,00 € (D)
Erscheinungsdatum: 16.2.2023
Verlag: GOYA
ISBN: 978-3-8337-4424-2
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