Panorama. Frankfurter Buchmesse 2021: von Affekt zu Analyse

Im Folgenden einige Fakten, Ideen und Positionen zum Thema Frankfurter Buchmesse 2021 aus meiner persönlichen Perspektive – und ein kurzer Erfahrungsbericht infolge des diesjährigen Messebesuchs.


Zur Einleitung möchte ich zur eigenen Positionierung klarstellen, dass ich menschenverachtende Ideologien und rassistische Standpunkte nicht vertrete und mich aktiv für Diversität, Solidarität, Gleichberechtigung und die Unantastbarkeit der Menschenwürde einsetze.

Extremistische Ideologien, zur Gewalt auffordernde Personen, Institutionen und Philosophien, radikale und fanatische religiöse sowie politische Positionen halte ich in einer europäischen, demokratischen Gesellschaft im 21. Jahrhundert für regressiv und hinterwäldlerisch.


Aufgrund der Ereignisse vor und zur diesjährigen Frankfurter Buchmesse, im Zusammenhang mit Verlagen, die rechtsextreme Positionen vertreten, Aufrufen zur Ausladung solcher Verlage und der Boykottierung der Buchmesse empfinde ich es auch als meine Verantwortung, mit meinen Leser:innen über die gegenwärtige Situation zu sprechen.

Warum?

Erstens sehe ich mich als Teil des literarischen Universums und als Rädchen des literarischen Betriebs; mag mein Wellenschlag noch so gering sein. Insofern möchte ich auf meiner Plattform relevante Diskurse über aktuelle Themen weiterführen, aktiv am Dialog teilnehmen und meine subjektive Meinung zu den entsprechenden Entwicklungen äußern.

Warum jetzt?

Weil jede:r verantwortungsbewusste und reflektierende Buchmensch sich auf, nach oder während der Frankfurter Buchmesse über diese Themen wenn nicht unterhalten, dann Gedanken gemacht hat. Für diejenigen, die die Sachlage gar nicht mitbekommen haben (die Erdkugel dreht sich nicht um Buchmessen, das ist mir ebenso klar), sollten die Umstände dringend erläutert werden; für diejenigen, die eine Meinung gebildet haben, möchte ich einen Resonanzboden anbieten.


Der Sachverhalt

Zur diesjährigen Buchmesse haben mehrere schwarze Autorinnen angekündigt, dass sie ihre Auftritte aufgrund der Präsenz eines rechtsextremen Kleinverlages absagen werden, da ihre Sicherheit aufgrund des durch die prominente Positionierung des Verlags vermehrt auftretenden rechtsextremen Messepublikums und daraus resultierenden möglichen Auseinandersetzungen nicht garantiert werden kann. Dies führte zu einem Medienwirbel, in dem der gemeinte Kleinverlag unnötig viel Aufmerksamkeit auch von internationalen Publikationen erhalten hat – und sich im Anschluss noch dafür bedankte.

Ähnliche Auseinandersetzungen habe es in den vorherigen Jahren bereits gegeben, mir waren sie als Neuankömmling in der Branche bisher weitestgehend unbekannt – weswegen die Thematisierung des Sachverhalts zwecks Sichtbarmachung und eigener Weiterbildung zum Thema Buchmesse, Diversität und Meinungsfreiheit mir nochmal als wichtig erscheint, um mich hier weiterzubilden. Ferner gibt es einen ausführlichen und auf die vorherigen Jahre eingehenden Bericht im Aisthesis Blog.

Besonders problematisch war in diesem Jahr zudem die prominente Positionierung des Verlags: der Stand war direkt neben dem Blauen Sofa, zum Durchgang zu den Toiletten positioniert. Bereits aufgrund dieser Platzierung haben sie mehr Aufmerksamkeit erhalten als in der üblichen Peripherie, wo der Stand üblicherweise stehe – und meines Erachtens auch hingehört.


Der Affekt

Meine erste Reaktion zu den Aufrufen von Jasmina Kuhnke und Nikeata Thompson war vollständige Empörung und Entsetzen über die Ungerechtigkeit, die ihnen zuteilwird.

Sollte doch die Buchmesse für ein Milieu sorgen, in dem Diversität, Gleichheit und Solidarität befürwortet wird und keine extremistischen Positionen zugelassen werden? Das kann ja wohl nicht sein, dass Morddrohungen und Gewaltfantasien, in denen Mobben und Lynchen befürwortet werden, keine Konsequenzen mit sich ziehen?

Das Thema Frankfurter Buchmesse 2021 wurde im Rahmen der Bloggerrunde in der Montagsfrage und von zahlreichen Blogger:innen bereits ange- und besprochen. Es ging aber vorrangig um den Aspekt der Ausladung rechter Verlage. Auf diese Frage kann allerdings weder deutlich noch sinnvoll geantwortet werden, ohne andere Aspekte zu betrachten.


Mein Messebesuch

Mit OP-Maske, Presseticket, „Verlage gegen rechts“-Plakette und Regenbogen-pin ausgeschmückt betrat ich die Messehallen, voller Nervosität vor möglichen Auseinandersetzungen, Demonstrant:innen oder Anfeindungen.

Während meiner zwei Messetage vor Ort bin ich auf keine weitere persönlichen Auseinandersetzung im Zusammenhang mit der Sachlage gestoßen – obwohl ein Moment im Affekt als solcher gelten könnte. Hierzu gleich mehr.


In Unterhaltungen mit Verleger:innen, Blogger:innen und Bookstagrammer:innen kristallisierten sich diverse Probleme aus:

Verlagen, die präsent sind, wird Solidarisierung mit rechtsextremen Ideologien unterstellt, obwohl diese in ihren Ständen den Slogan „Verlage gegen rechts“ sichtbar hängen haben, BIPoC-Autor:innen in ihrem Programm führen und Statements zur aktuellen Lage sowohl vor Ort als auch in den Medien gegeben haben.


Aufmerksamkeit wird nicht nur vom aktuellen Programm der Verlage weggeleitet. Von den Diversität und Marginalisierung betreffenden Themen der Buchmesse wie die Kulturgeschichte der indigenen Bevölkerung des Gastlandes Kanada, von den Podiumsdiskussionen anderer auftretender Autor:innen, von zentralen Ereignissen wie die Auszeichnung der simbabwischen Autorin und Filmemacherin Tsitsi Dangarembga mit dem Friedenspreis des Deutschen Buchhandels 2021 – diese wichtigen Ereignisse werden vollständig von der Bühne gefegt.

Bewundernswert sind übrigens Reaktionen Betroffener wie Dangarembga selbst, die sich die Literatur am besagten Stand angesehen und mit den Personen am Stand gesprochen hat.

Man möge ebenso nicht vergessen, dass beispielsweise Salman Rushdie 2015 in Frankfurt anwesend war. Damals hat Iran die Buchmesse boykottiert.


Zweierlei Erfahrungsberichte und Meinungsfetzen zur diesjährigen Stimmung kann ich noch beisteuern:

Zu einem Punkt am Messesamstag haben wir drei Jugendlichen beigewohnt, die Dosenbier der Marke 0,5 tranken und das Wort N–er sehr freigiebig nutzten. Als jemand (ich) relativ laut ankündigte „ich mache jetzt ein Video“, wurden sie leiser.
Neben den pubertierenden Individuen standen zwei Polizist:innen, die die Situation kurz anblickten und dann kommentarlos die Terrasse verließen. Auch die Jungs verschwanden bald wieder unter Menschen.

Was ich aber nun weiß, ist, dass auch ich – und die anderen Zeug:innen dieses Gesprächs – diese Jugendlichen hätte melden können.

Über die Meldestelle für Hetze im Internet oder die Zentrale Ansprechstellen Cybercrime der Polizeien können Aussagen, die in Interviews, Forenbeiträgen oder anderen Formen online einsehbar sind, gemeldet werden. Die Antidiskriminierungsstelle des Bundes bietet in diesem Rahmen juristische Beratung und nimmt anonyme Meldungen an.

In diesem informativen Exkurs werden konstruktive Vorschläge ersichtlich.


Wenn ich imstande bin, solche Recherchen innerhalb von einigen Stunden vorzunehmen und die zuständigen Stellen aufzulisten, sollten Polizist:innen mit der aktuellen Gesetzeslage ebenso vertraut sein, strafbares Verhalten erkennen und Situationen wie die oben beschriebene nicht einfach verlassen.

Ob das jetzt meinerseits eine naive Hoffnung für den ordnungsgemäßen Aufbau eines demokratischen Rechtsstaates ist, bleibt in den Raum gestellt.

Andererseits sollten diejenigen tausend Personen, die destruktive, unreflektierte Shitstorms auf Instagram und/oder Twitter auslösen, sich an die obigen Ämter wenden und so abseits von der Buchmesse systematisch gegen extremistische Personen vorgehen.

Die Medienperspektive der gesamten Institution Frankfurter Buchmesse stellt auch nur eine Nuance der Gesamtsituation dar. Dass die Stadt Frankfurt sich im Dialog mit den Veranstalter:innen befinden soll und sich, so die Frankfurter Rundschau, „Sorgen“ um die Gesamtsituation macht, ist hoffentlich ein Schritt in die richtige Richtung.

Denn es benötigt auf organisatorischer Seite offensichtlich eine Institution mit genügend Zugkraft, um die Marge der Buchmesse endgültig zur Bewegung zu zwingen.


Aus einer rein rechtlichen Perspektive (wer jetzt mit Begriffen wie Monopol, Kartellrecht, Wettbewerbsgleichheit, Hausrecht und dergleichen argumentieren möchte) liegen derzeit keine strafbaren Handlungen vor, aufgrund derer der Kleinverlag von der Messe auszuschließen wäre. Dass der Verleger vom Bundesverfassungsschutz beobachtet wird, hat ja rein rechtlich auch erstmal nichts mit dem Verlag zu tun…

Und so wider uns diese komplexe Wahrheiten sind, sollten sie uns eher zu einer aufmerksamen Beobachtung derer führen, die wir unter uns nicht wünschen. Denn beispielsweise dass zu Pandemiezeiten die Teilnehmer:innen am Verlagsstand die Maskenpflicht nicht respektieren (erfuhr ich zweiter Hand) gelte es festzuhalten, zu dokumentieren und den Veranstalter:innen als triftigen Grund vorzulegen, insofern ein Hygienekonzept im kommenden Jahr notwendig ist.


Die Realität

Ich kann mich in keine der obigen marginalisierten Positionen versetzen, schreibe niemandem die persönliche Entscheidung vor und vertrete schließlich auch nur mich und mein subjektives selbst. Dennoch kann ich eben durch meine Präsenz, meine Plattform und meine Taten Solidarität und eine (kleine) Bühne bieten.

Es gibt noch so viele Aspekte zu diskutieren, wenn es ums Thema Buchmesse und Diversität geht, und so viele Nuancen zu beachten.

Einerseits mag beispielsweise das Statement der Vorsteherin des Börsenvereins des Deutschen Buchhandels als heuchlerisch klingen, wenn ihre Aussage lautet: „Wir stehen ein für eine vielfältige und liberale Gesellschaft. Wer sonst sollte sie bieten, wenn nicht wir?“ Denn: Ja, im Messeprogramm war ein beeindruckendes Maß an Diversität ersichtlich.


Und doch, würde man Kritiker:innen blinden Glauben schenken, wäre diese Aussage Heuchlerei.

Was nun – Affekt oder Analyse?

Wir wissen nicht, ob oder wie die Autor:innen mit ihren Verlagen und ob oder wie die Verlage direkt mit der zuständigen Person zur Buchmesse kommuniziert haben und welche Art von Sicherheitsmaßnamen oder Vorkehrungen geplant waren. 2015, das Rushdie-Jahr, war eine andere Zeit mit einer anderen Abgeordnetenaufteilung im Bundestag.

Ebenso werden wir nie erfahren, was passiert wäre, wenn die Autor:innen zur Buchmesse gekommen wären.

Entscheidend ist es, sich genau an dieser Stelle nicht vom Affekt bestimmen zu lassen, sondern analytisch, konsequent und bedacht zu handeln. Wie viele am Diskurs beteiligte bereits betonten: Boykott ist ein erprobtes Mittel der Rechten. Wir sollten nicht wegbleiben.

Mit den Worten von Rassismus-Experten Aladin El-Mafaalani: „Boykott verhindert Diversität. Ich meide einen Ort nicht, weil da Faschos sind. Ich gehe da gezielt hin. Das ist meine Idee von Widerstand.“

Oder auch mit gewählten Worten der Autorin Khue Pham: „Ich lasse mich von diesen vier Jungs mit ihren fünf Quadratmetern rechter Literatur nicht die Buchmesse verderben. Sollen sie doch dastehen und Bücher anbieten, die keiner lesen will.“

Mit diesen Positionen resoniere auch ich am meisten: ist es doch gerade als Unterstützer:innen, als Allys, als solidarisierende Personen und Individuen bleibend und mehrwerdend wichtig, Veranstaltungen wie die Buchmesse zu besuchen um klar Stellung zu nehmen, uns sichtbar für Diversität, Solidarität, Menschenrechte und marginalisierte Stimmen einzusetzen. Schreie vom Sofa werden nichts bewerkstelligen – egal, welchen Inhalt sie haben.


Wie geht ihr mit der Gesamtthematik um? Wart ihr auf der diesjährigen Buchmesse?

Hatte euch der Medienwirbel auf das Thema rechte Verlage erst in diesem Jahr oder bereits früher aufmerksam gemacht? Wenn ihr marginalisierten Gruppen angehört: habt oder hättet ihr euch angesichts der aktuellen Sachlage sicher gefühlt?

Auf eure Gedanken zum Thema freue ich mich nun sehr.


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1 Antwort

  1. Gefällt mir sehr, diese Analyse! Boykott räumt den Rechten nur mehr Platz ein. Wir waren nicht auf der Buchmesse, aber nicht weil wir sie boykottieren wollten, sondern weil sie für Kleinverlage sehr teuer ist und man eigentlich überhaupt nicht wahrgenommen wird. Wir gehören keiner Szene an … „Unsere“ Messen sind nicht in Frankfurt, sondern in Mainz, Neckarsteinach, Wien und manchmal Berlin. Dort kommt auch gar nicht die Frage auf, ob wir etwas wegen „Faschos“ boykottieren müssten. Gerade Neckarsteinach ist ein nettes, freundliches Bibliophilen-Treffen ohne Promirummel. Nachteil: Da gehen wenige Literatur-Blogger*innen und Medienleute hin. Schade eigentlich!

    Gefällt 2 Personen

    • Vielen Dank für den Zuspruch! Es hat eine ganze Weile gedauert, meine Gedanken halbwegs strukturiert zusammenzufassen.
      Ich vermute, dass die Besuche kleinerer Messen für viele Blogger:innen ebenso eine Geldfrage ist – ich meinerseits lebte langjährig in Frankfurt und bin nun in Berlin zu Hause. In Leipzig haben wir Familie. Doch „nur“ für eine kleinere Messe quer durch Deutschland zu fahren nimmt zumindest für mich zu viel Zeit und Geld in Anspruch, da meine Bloggerexistenz bisher eine unbezahlte Tätigkeit aus Liebe zum Buch ist.
      Allerdings bin ich nun mehrwerdend an kleineren Messen interessiert und besuche beispielsweise im November auch die Buch Berlin. Und freue mich, meinen Horizont diesbezüglich zu erweitern. Eventuell sieht man sich ja dann doch mal in Mainz oder Neckarsteinach 🙂

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  2. Du verweist auf Bersarin. Ich bin sehr unschlüssig, habe seine Analyse gelesen. Es ist fraglich-jedenfalls für mich, ob sich mit Rechten wirklich reden lässt. Man redet so lange, bis das Ruder irgendwann aus der Hand genommen ist und ich fürchte dann ist es mit dem Reden vorbei. Ich weiß nicht was Demokratie aushalten muss und was nicht, Bücher wie Kubitscheks Provokation halte ich für gefährlich und unzumutbar. Auf der anderen Seite , muss man sich ein Bild machen können. Kuhnkes Umgamg mit der Thematik ist ihr Umgang. Sie hat getan was sie für richtig hielt,

    Gefällt 1 Person

    • Danke für den Kommentar! Ja, einige Details in Bersarins Beitrag sind schwierig, dennoch fand ich den Beitrag vergleichsweise am informativsten und analytisch treffendsten, was die momentane Situation plus die der vergangenen Jahre betrifft.
      Ich bin mit Dir auch insofern einverstanden, dass es allgemein selten möglich ist, mit Fanatikern und Extremisten zu reden, da diese erfahrungsgemäß nicht für einen Dialog bereit oder fähig sind. Dass die Autor:innen, die sich nicht sicher fühlten, die Messe nicht besuchten, ist ebenso für sie unumstritten die richtige Entscheidung, das muss auch klar sein. Allerdings war es mir persönlich eben vorrangig wichtig, die Position zu kommunizieren, dass – wenn man sich sicher fühlt, und hier entscheidet natürlich jede:r für sich – man sich mit dem Thema aktiv auseinandersetzt. Ja, man kann theoretisch auch reflektiert Boykottieren, jedoch kann man sich nicht unbedingt ein Bild machen, wenn man von einem Raum abseits und jenseits der reellen Situation auf „blockierern/ignorieren“ drückt.
      Eine eindeutige Meinung bezüglich der Buchmesse zu formulieren, wäre für mich auch nicht möglich, weswegen ich versucht habe, meine Argumente so strukturiert wie möglich zusammenzutragen und Vorschläge zu machen. Doch freue ich mich über jede Ergänzung und Vervollständigung zu allen genannten Aspekten.
      Lieben Gruß

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  3. Danke für deinen ausführlichen Erfahrungsbericht und deine Gedanken zu dem Thema. Ich glaube, es ist – genau wie du sagst – wichtig, sich darüber Gedanken zu machen, wie solche Probleme entstehen, wer beteiligt ist, wie man solche Konflikte lösen und gleichzeitig vor allem solidarisch sein kann. Und dafür bedarf es vor allem auch Analyse und kritische Auseinandersetzung.
    Ich selbst bin in der privilegierten Position, dass ich mich frei auf der Buchmesse hätte bewegen können, ohne angefeindet zu werden. Deswegen kann ich mich leider nicht dazu äußern oder möchte mir anmaßen zu sagen, was ich dann getan hätte, wenn es anders gewesen wäre. Aber ich denke, es ist gut, so wie viele viele Menschen es getan haben: Offensichtlich Stellung beziehen gegen rechts, sei es durch Kleidung, Pins, Poster, Banner, Plakate, ein diverses Literaturprogramm und die kritisches Auseinandersetzung. Und es gibt, wie du auch sagst, auch Autor*innen, die die Konfrontation suchen. Aminata Touré beispielsweise hat ebenfalls ein Buch veröffentlicht (KiWi-Verlag) und ist solidarisch für ihre Schriftsteller-Kolleginnen hingefahren und hat sich dem ganzen ausgesetzt, weil sie selbst von sich sagt, dass sie es ertragen kann.

    Wahrscheinlich muss am Ende jeder für sich selbst den besten Weg finden, damit umzugehen, sodass eine Mischung entsteht, aus jenen, die solidarisch und mit starker Positionierung einschreiten und damit jene schützen, die nicht kommen können. Ich halte Boykott in dem Sinne, wie es vor allem auf Instagram sehr viel gefordert wurde, auch nicht für den richtigen Weg.

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    • Danke für die Resonanz! Ja, ich denke auch nicht, dass ich mich da auf irgendeine Art und Weise in Personen reinversetzen oder deren Entscheidungen kritisieren kann, darf oder sollte, die sich dafür entscheiden, selbst nicht auf die Buchmesse zu gehen. Für mich persönlich ist ein Boykott ganz klar die falsche Entscheidung. Dass ich diese Meinung aus einer privilegierten Position repräsentiere, muss mir genau so klar sein.

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  4. Sehr schöner Beitrag, vielen Dank dafür. Du sprichst mir aus der Seele. Zwar ist die Frankfurter Messe mir bisher ein Stück zu weit weg für den Besuch gewesen, aber die Leipziger Buchmesse hatte schon ähnliche Schlagzeilen. Damals war ich etwas unpolitischer und etwas vor den Kopf gestoßen als ein guter, bibliophiler Freund meinte, er würde nicht mehr auf die LBM fahren und die stattdessen boykottieren, weil die rechte Verlage einen Stand gewähren.
    Damals fühlte ich mich irgendwie ertappt, dass ich meinen eigenen Spaß in so einer heimeligen „Aber ich mag doch meine Buchmesse so“-Stimmung über eine klare politische Aussage stellte. Nun Jahre später stelle ich mit Erschrecken fest, dass solche Verlage immer noch eine Plattform bekommen und sich offenbar wenig in der öffentliche Wahrnehmung dieser geändert hat. Zweitens merke ich aber auch, dass ich heute aus ganz anderen Gründen weiter/wieder auf die Messe fahren würde. Weil ich es ja gar nicht einsehe, dass man sich von denen den Spaß verderben lässt und nicht klare Kante gegen sie zeigt, weil man sich ja der Diskussion entzieht, indem man nicht mitmacht.

    Zwar verstehe ich auch den Gedanken die Messe dahin zu treffen, wo es weh tut und ihnen Einnahmen mangels Besucher*innen entzieht. Aber ehrlich … wie wahrscheinlich ist es, dass das Anzahlen erreicht, die einer Messe wirklich weh tun?

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    • Danke für die Resonanz! Es ist natürlich absolut valide, aus welchen Gründen auch immer eine Buchmesse nicht zu besuchen, es sei jedem persönlich überlassen. Ausverkauft war sie in diesem Jahr, zumindest am Samstag, wirtschaftlichen Druck kann man so nicht machen. Es macht mir vor allem – eben nicht nur in dieser Hinsicht – Sorgen, wenn die Diskurskultur sich zu einer wir-schreien-einander-an-aber-niemand-hat-zugehört-oder-verstanden-kultur umwandelt, was leider in vielen, viel zu vielen Themenbereichen der Fall ist. Druck muss gemacht werden, jedoch auf andere Art und Weise.
      Vielleicht sehen wir uns ja in Leipzig. 😉

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