Im Rahmen meines diesjährigen Besuchs der Frankfurter Buchmesse möchte ich Dir anhand diverser Leseempfehlungen das Gastland Slowenien etwas näher vorstellen.
Im Folgenden zeige ich eine Kombination interessanter Autor*innen und Bücher mit Status von Klassiker bis Debüt, von Kurzgeschichte bis Roman.
Zunächst ein Exkurs persönlicher Natur.
Als Person, die aus einem osteuropäischen beziehungsweise baltischen Land stammt – einem Land mit – vergleichsweise zu Deutschland – kleiner, doch sehr feiner literarischer Landschaft –, schätze ich es persönlich sehr, wenn Länder abseits des zentraleuropäischen literarischen Spektrums, wie beispielsweise Slowenien, als Ehrengast einer Buchmesse ausgewählt werden – handele es sich hierbei nun um die Frankfurter Buchmesse oder die Leipziger Buchmesse.

Als Lesende mit den Schwerpunkten unabhängig, divers und abseits vom Mainstream freute ich mich sehr, in diesem Rahmen eine Chance zu bekommen, die Landesliteratur Sloweniens näher kennenzulernen.
Selbstredend ist die Gelegenheit hierfür jederzeit geboten, doch werden ja nun doch mehr Übersetzungen des Gastlandes in Auftrag gegeben, es gibt mehr aktuelle Informationen zu älteren und jüngeren Autor*innen; das respektive Land wird für das hiesige Publikum besser verfügbar und leichter verdaulich gemacht, um eine weitere kulturelle Landschaft zu öffnen – diese kollektiv und im unmittelbaren Dialog mit dem Ehrengast zu erforschen, das Informationspensum und das Wesen einer europäische Perspektive auszuweiten.
Beispielsweise das Gastland Spanien habe ich im Rahmen der letzten Frankfurter Buchmesse etwas näher kennengelernt – doch insbesondere das mir bisher dezidiert weniger bekannte Gastland Österreich auf der letzten Leipziger Buchmesse hat viele interessante Neuentdeckungen geboten. Ich habe überdies generell erst vor Kurzem eine aktive Wertschätzung für das Konzept der Gastländer gewonnen und beobachte diesen Aspekt nun auch zunehmend im Rahmen der Messebesuche.
Gerade diejenigen, die grundsätzlich nicht auf Messen gehen oder Massenveranstaltungen komplett meiden wollen, möchte ich an dieser Stelle ermutigen, das aktuelle Gastland dennoch über diverse digitale oder parallele Veranstaltungen und über entsprechende Verlagsprogramme zu entdecken – und hoffe, dass die heutige Auswahl einen kleinen Anstoß dafür bietet.
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Drago Jančar: „Als die Welt entstand“

Jančars Roman über Widersprüche der Gesellschaft im Maribor der 1950er Jahre liest sich als feinfühlige Beobachtung über subtile Risse im individuellen und kollektiven psychologischen Spektrum der slowenischen Bevölkerung.
Stilistisch und von der sprachlichen Tonalität her siedelte sich der Roman in meiner Rezeption bei diversen zeitlich zuzuordnenden osteuropäischen Autor*innen, erinnerte mich unter anderen an Vitomil Zupan, Szczepan Twardoch, Magda Szabó oder Imre Kertész.
Erzählerisch gesehen würde hier Kritik an erste Stelle gehören: Wo die versprochene Geschichte zu deduzieren wäre – die innere Diskrepanz Danijels, der sich zwischen einer religiösen Mutter und seinem militaristischen Vater hin- und hergerissen fühlt, zeitgleich mit seinen Gefühlen für seine Nachbarin kämpft, sich allerdings stets seiner Liebe zu seinem Bruder sicher ist –, ist argumentativ nicht immer zu orten. Der Klappentext ermutigt zu einer expliziten Suche nach Bindungen; Assoziationen; einem Erzählrahmen.
Doch offenbaren sich bei der Reflexion des Romans sowohl das narrative Panorama, welches einen wesentlich breiteren Bogen um die erwähnten und etlichen zusätzlichen Figuren zieht, die Alltäglichkeiten, Konflikte und Diskrepanzen zu einem Ganzen zusammenbindet und schließlich mittels Episoden aus Danijels Leben zeigt, wie eine heranwachsende Generation auf männlicher Seite trotz inneren Zwiespalt auch ohne weiteres eine als moralisches Doppelleben zu bezeichnende Existenz führen kann, während ein weibliches Individuum am Mut, alle ihr zur Verfügung stehenden Optionen auszukosten, zugrunde geht.
Viele Facetten dieses introspektiven Buchs erschließen sich erst im Abgang, beim Verdauungsprozess. Für Genießer*innen des harten Tobaks, der soziopsychologischen Studien, der introspektiven Herangehensweisen – ist hier eine Leseempfehlung geboten.
Drago Jančar: „Als die Welt entstand.“ Übersetzt aus dem Slowenischen von Erwin Köstler.
Zsolnay Verlag, 2023. 272 S., 26,00 €.
Mojca Kumerdej: „Unter die Oberfläche“

Mojca Kumerdej konstruiert in ihrer Sammlung enorm verstörende, psychologisch faszinierende Geschichten. Ihre Protagonist*innen sind innerlich mit tiefsten Dunkelkammern ausgestattet – und zeigen diese Lesenden in all ihrer Entsetzlichkeit.
Eine Mutter, die nichts lieber hätte, als ihr Kind sterben zu sehen; ein rundum durchschnittlicher und unauffälliger Mann, der gerne Frauen zerstückelt; ein bester Freund, der im Namen von Rache zum Luxus-Callboy wird… so viele reichhaltige Perspektiven sind in diesen Texten verborgen.
Anscheinend geht es immer schräger und wilder zu in diesen scharfsinnigen Portraits in ungeschmückter Sprache und viel Charisma – bis in Science-Fiction-Gefilde…
…bis sich Ton und Inhalt in einem gemütlicheren Spektrum einfinden. Lesende, die mittig der Sammlung nur noch auf den nächsten kreativ gestalteten Schock über die Abgründe des Menschlichen warten, werden plötzlich auf Geduld hin konditioniert, denn die Sammlung beinhaltet zwei Kurzgeschichten, die – meines Erachtens etwas abrupt – sowohl stilistisch als auch kompositorisch abseits des bisher gelesenen liegen.
Kumerdej leitet zum Schluss der Erzählungen wieder ins Lesenden bereits vertraute moralisch bedenkliche Gefilde um, würzt die letzten zwei Texte noch um einiges – und spannt somit wieder einen straffen Bogen um das mittig etwas gelockerte Erzählgerüst.
Wäre dieser Ausklang nicht gewesen, würde die Auswahl und Reihenfolge der Kurzgeschichten Gefahr laufen, den Gesamteindruck zu mindern, denn enthusiastisch interpretiert zeigt die Autorin in „Unter die Oberfläche“ eine herausragende erzählerische Tonalität und beeindruckende inhaltliche Vielfalt.
Wer vor hartem Tobak nicht zurückschreckt und gerne die düsteren Ecken der menschlichen Psyche erkundet, wird hier eine hervorragende Lektüre vorfinden.
Mojca Kumerdej: „Unter die Oberfläche.“ Übersetzt aus dem Slowenischen von Erwin Köstler, Liza Linde, Karin Almasy und Fabjan Hafner.
Wallstein Verlag, 2023. 260 S., 23,00 €.
Nataša Kramberger: „Mauerpfeffer“

Der Einstieg in Krambergers Roman „Verfluchte Misteln“ kann als intensiv und impressionistisch, witzig aber auch etwas all over the place beschrieben werden – mensch wird ins laute, chaotische Geschehen auf dem Feld der Protagonistin reingeworfen und muss sich sowohl stilistisch als auch logistisch zunächst etwas zurechtfinden.
Dafür führt die neue essayistisch angehauchte Ausarbeitung „Mauerpfeffer“ geschmeidig und brachial zugleich in die Handlung ein. Lesende dürfen Kramberger in einen sehr besonderen Wald begleiten und anhand ihrer Schilderungen diverse Elemente und Phänomene der Natur beobachten – die indizieren, dass etwas sehr, sehr falsch und schlecht läuft mit unserem Klima. Mit unserer Erde.
Zugleich reflektiert die Autorin die Übernahme des Bauernhofs von ihrer Mutter und die Hürden und Schwierigkeiten als ökologische Landwirtin – die zahlreichen, doch in langer Sicht geringen und somit übersichtlichen und natürlich zu bewältigenden Mühen, die Kramberger sich zunächst versprochen hat. Beschreibt, wie der Hof sie langsam beansprucht und verschlingt – wie sie zeitgleich aber auch gestärkt und gesättigt wird von diesem lehmigen Land, während sie nach und nach eins mit ihm wird.
„Mauerpfeffer“ gibt direkt viel mehr von der Protagonistin – somit teils auch von Kramberger selbst – preis, nimmt mit auf unglaublich schöne Spaziergänge, hält an vielen Bäumen inne, um diesen zuzuhören. Erzählt stille und ergreifende Geschichten, lässt tiefgründig über die eigene Umwelt reflektieren und macht Lust auf mehr Kramberger.
Meinerseits eine Leseempfehlung!
Nataša Kramberger: „Mauerpfeffer“. Übersetzt aus dem Slowenischen von Liza Linde.
Verbrecher Verlag, 2023. 126 S., 16,00 €.
Weitere hochgradig lesenswerte neue und alte literarische Entdeckungen aus Slowenien – von Klassiker bis Debüt – findest Du in meinem ausführlichen Video zum Thema Gastland Slowenien. Ich freue mich sehr auf den Austausch und Deine Gedanken zum Thema slowenische Literatur sowie osteuropäische Perspektivenerweiterung.
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