
Wachtberger Autorin Susanne Thomas1 hat bisher zwar drei Romane veröffentlicht, ist jedoch eigentlich leidenschaftliche Drehbuchautorin und übersetzt Doku-Serien aus dem Englischen ins Deutsche.2
Dass der Übergang zur Buchform ihr nicht leichtgefallen ist, merkt man im dritten Roman – auch ohne dies vorab zu wissen.

„In Zeiten des Tulpenwahns“ (2021) ist ein thematisch eigentlich sehr interessantes Buch mit fesselndem Klappentext und vielversprechenden Inhalten.3
Die Handlung spielt in Holland im 17. Jahrhundert, als Tulpenzwiebel den Wert von Gold besaßen und einen regelrechten Wahn unter Händlern auslösten.
Einen kurzen Blick wirft die Autorin auch ins zeitgenössische soziokulturelle Milieu, erläutert die Rolle von Religion und die Rolle der Frau, thematisiert die Klassengesellschaft und erwähnt am Rande die Hugenottenverfolgung in Frankreich im 16. und 17. Jahrhundert.
Das erste Drittel überzeugt auch stilistisch: Thomas schreibt auf eine ausgeprägte, vielfältige, reichhaltige und der Handlungszeit angemessene Art und Weise.
Ist man also auf einen leichten Unterhaltungsroman mit ein wenig kulturhistorischer Palette hinaus und es reicht eine oberflächliche Figurenbeschreibung, insofern wirksam ins Milieu atmosphärisch eingeführt wird, läge hier ein interessantes Romanerlebnis vor.
Ich war auch als seltene Leserin von Unterhaltungsliteratur voll und ganz bereit, Thomas‘ Roman für gut zu befinden – doch sind dann immer wieder Nuancen aufgefallen, die den ersten Eindruck minderten.
Nämlich werden zahlreiche Ansätze aufgegriffen, die aus einem Drehbuch in eine starken Szene gesetzt ihre Wirkung entfalten würden, jedoch in der Romanform mehr Fragen auslösen als sie Erkenntnisse bieten. Die Autorin hätte sich auch bezüglich der Komposition und dem Aufbau der einzelnen Kapitel für eine einheitliche Form entscheiden sollen.
Zunächst erfahren Leser:innen, dass die geliebte Ehefrau des Gärtners und Tulpenzüchters Nicolaes in einem Brand gestorben ist. Das mysteriöse Feuer und die Konsequenzen für die Familie werden nicht wirklich aufgeklärt oder thematisiert – von einer als Filmszene funktionierenden, doch als Romanleser eher zu kurz angedeuteten Episode. Auch werden selten auf Nicolaes‘ Gefühle bezüglich seiner Umstände thematisiert.
Nicolaes‘ mutmaßliche Schwierigkeiten werden weniger vertieft als seine Faszination mit Tulpen – das eigentliche Kernthema des Romans. Obwohl der Gärtner seine Blumen nicht für ihren Kapitalertrag, sondern als Freunde schätzt, möchte er seiner Tochter Margriet eine gute Zukunft bieten, und entscheidet sich nach langem Zögern, mit Tulpenzwiebeln zu spekulieren.
Ein gefährliches Geschäft, welches ihm schließlich mehr als Geld kostet und die hilflose Position eines in eine niedrigere Schicht geborenen Mannes innerhalb der Einflusssphären mächtiger Männer betonen soll. Doch auch diese Entwicklung wird auf eine beiläufige Art und Weise erzählt – eher sind es wieder Handlungsfetzen, die Nicolaes‘ Unglück schnell in kurzen Episode schildern.
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Über Margriet ist nicht viel zu berichten, außer dass sie aus jedem zeitgenössischen Periodendrama ausgeschnitten sein könnte: emsig, ernsthaft, pflichtbewusst, unschuldig – und gutaussehend. Die sie umgebenden Männer ähneln auf der einen Seite an eine Figur aus Twilight-Filmen, der im dunklen Schlafzimmer der jungen Protagonistin rumschleicht – andererseits werden ihre Gefühle von einem hochgeborenen Geschwisterpaar manipuliert. Also hat die Autorin wohl auch Cruel Intentions gesehen.
Die Bemühungen, den Roman zeitgemäß zu stilisieren, sind durchaus vorhanden. Die Idee, Kapitel wie düstere holländische Meisterwerke einzuleiten, um dem Ton und der Ästhetik der zeitgenössischen Optik gerecht zu werden, fand ich gelungen – doch war dieser Versuch genauso plötzlich aufgetaucht, wie er nach drei Kapiteln wieder endete. Für die Handlung tat der Griff ebenso nichts.
Wahrhaftig interessant ist nach dem expositorischen Drittel eigentlich nur die zum Schluss der Handlung unvermittelt in den Text geworfene Erläuterung der Autorin über die angebliche Tatsache des sich wiederholenden und am Wahn grenzenden Handels mit als exklusiv und wertvoll geltenden Blumen in diesem und in folgenden Jahrhunderten. Darüber hätte ich gerne mehr Informationen auf einer Sachebene erhalten. Allerdings widmet die Autorin dem Sachkommentar einen Abschnitt am Ende einer Seite, die sich hätte als Epilog ausbauen lassen – war doch auch ein Prolog vorhanden.
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Ich folgte Thomas‘ Roman mit Eifer und hatte mittig der Erzählung noch einige Hoffnungen. Doch zusammenfassend lässt es mich in neutraler Haltung zurück.
Für Freunde der etwas düsteren Unterhaltungsromane mit historischem Boden und stilsicherer Atmosphäre lässt sich an dieser Stelle eine Empfehlung aussprechen. Mir fallen genügend Personen ein, die von Thomas‘ Buch angesprochen wären.
Unglücklicherweise gehöre ich nicht zu dieser Gruppe. Wenn man bei einer Lektüre steigend die Rolle der Lektorin einnimmt und den Text nicht als Leserin auf sich wirken lassen kann, ist das Buch noch nicht ganz fertig für den Lesegenuss – daher finde ich es auch ein wenig schade, dass Thomas hier nicht so präzise an der Komposition wie am Stil des Textes gefeilt hat.
Eventuell gelingt die Gesamtkonzeption der Autorin beim nächsten Versuch. Andererseits stellt sich mir auch weiterhin die Frage, warum eine „passionierte Drehbuchschreiberin eher unfreiwillig zur Romanautorin“2 werden muss und nicht bei ihrem bevorzugten Format bleiben kann.
Vielleicht lohnt sich doch noch ein Gespräch mit Netflix.
1 – Ihren dritten Roman veröffentlichte Susanne Fuß unter ihrem Mädchennamen und wird in diesem Beitrag mit diesem bezeichnet, da es hier primär um diesen Roman geht – und um Verwirrungen für diejenigen zu vermeiden, die mit ihrem Gesamtwerk und ihrer Biografie nicht bekannt sind.
2 – General-Anzeiger: Wachtbergerin macht aus eigenen Drehbüchern Romane
3 – susanne-fuss.de: Romane
Bibliografie
Titel: In Zeiten des Tulpenwahns
Autor:in: Susanne Thomas
Seitenzahl: 234
Erscheinungsdatum: 26.3.2021
Verlag: Ruhland
ISBN: ISBN 978-3-88509-166-0
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Mehr literarische Abenteuer:
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Gerne möchte ich die Gelegenheit nutzen, auf die Kritik einzugehen. Dass die Bildbeschreibungen nach drei Kapiteln abreißen stimmt nicht. Sie stehen im zweiten Teil des Romans nur nicht mehr am Anfang, sondern in der Mitte oder am Ende eines Kapitels, wenn eine Szene quasi zu einem Bild gefriert. Ich habe daraus keinen Formalismus gemacht, sondern den inhaltlichen Gegebenheiten untergeordnet. Ich passe die Form den Inhalten an, nicht umgekehrt. Ich versuche in meinen Bildbeschreibungen den Blick des Lesers zu lenken und somit eine Interpretationshilfe des Geschehens zu gehen. Für die Handlung tut der Griff vielleicht nichts, für das Verständnis hoffentlich schon.
Es wird kritisiert, dass ich keinen Epilog geschrieben habe. Da lohnt ein Blick auf Seite 227, die mit dem Wort ‚Epilog‘ eingeleitet wird. Das Folgende ist durchaus als solcher zu verstehen.
Ich vermute, dass so ab der Hälfte des Romans das Interesse nachgelassen hat und allenfalls eine kursorische Lektüre erfolgt ist. Es ist eben letztlich eine Frage des Geschmacks. Ihren habe ich leider nicht getroffen.
Zum Thema Drehbücher: Die Hürde, ein Drehbuch zu verkaufen ist leider enorm viel höher als ein Buch. Eine Verfilmung des Tulpenwahns beispielsweise ist ein unglaublich kostspieliges Unterfangen, das in Deutschland zur Zeit wahrscheinlich gar nicht realisierbar ist. Über Vitamin B im Filmbereich würde ich mich sehr freuen, (auch über die Vermittlung an Netflix!!) und auch sofort wieder Drehbücher schreiben. Ohne ist es aussichtslos.
Liebe Grüße
Susanne Thomas
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Vielen Dank für die ausführliche Resonanz. Ihren Roman habe ich bis zur letzten Seite gelesen; sporadische Überfluglektüre betreibe ich bei denjenigen Büchern, die in diesem Blog besprochen werden nicht. Mein Hinweis bezieht sich auf den Mangel eines Epilogs für die Erzählung selbst und den sehr kurz gefassten Sachkommentar zum in der Erzählung kaum besprochenen wirtschaftshistorischen Sachverhalt. Hoffentlich habe ich mich diesmal für Sie verständlich ausgedrückt.
Herzliche Grüße zurück!
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