Literarische Abenteuer. Kristof Magnusson: ‚Ein Mann der Kunst‘

Als ein Frankfurter Museums-Förderverein die unerwartete Erlaubnis erhält, den exzentrischen, in Isolation lebenden Malerfürst KD Pratz auf seiner Burg Ernsteck im Rheingau zu besuchen, erfährt Bauingenieur Constantin erster Hand, was im Kopf eines angeblich außergewöhnlichen Künstlers wirklich vorgeht.

Wider aller Erwartungen entpuppt sich: Auch weltberühmte Einsiedler können Verletzlichkeit empfinden. Ein Wirbelwind an Persönlichkeiten, Egos und ideologischen Überzeugungen führt zu Interpretationen, Gesprächen, Beleidigungen, Selbsterkenntnissen – und neuen Freundschaften.



Kristof Magnussons Roman Ein Mann der Kunst zieht den Leser sofort mit in die Handlung. Die erste Begegnung mit Constantin auf der Baustelle und seine folgenden Reflexionen zum eigenen Leben, Glück und Sinn der Existenz, aber auf eine ’normale‘ Art und Weise, machen den Protagonisten sofort zum Sympathieträger.

Ein plötzliches Telefonat mit der scheinbar etwas verpeilten und chaotischen Mutter bindet Constantin unerwartet in die Geschehnisse des Förderverein ein, denn im Auftrag von Ingeborg als Vorsitzende soll er der Sitzung zum Weiterbau des Museums Wendevogel beizuwohnen. Der Neubau soll nämlich die Werke von keinem anderen zeigen als – KD Pratz.

Bereits auf den ersten Seiten startet die Erzählung mit einem ambitionierten Tempo. Im Laufe der Erzählung legt es sich jedoch zugunsten von Charaktervielfalt und humorvollen Verzierungen. Kein Aspekt der Geschichte kommt zu kurz; Magnusson hat auf seine Erzähl- und Schreibqualität offensichtlich stets Acht gegeben.

Der Förderverein erhält wider erwarten die einmalige Chance, KD Pratz auf seiner Burg zu besuchen, und – vielleicht – einen Blick in sein Atelier zu werfen. Voller Aufregung begibt sich die Reisegruppe auf den Weg – und trifft auf Unverhofftes und Unerwartetes.



Der exzentrische Künstler kann auf der Figurenebene als direkter Gegenpol von ‚Baustellen-Constantin‘ interpretiert werden. Allerdings findet sich der Kern der Geschichte in der zwischenmenschlichen Kameradschaft, die der junge Mann mit dem Künstler findet. Auch in Pratz steckt Verletzlichkeit, Spontanität und nachvollziehbare Menschlichkeit – wie in Constantin ein einzigartiges Verständnis für Kunst auffindbar ist. In der Mitte dessen bildet sich eine ungewöhnliche Freundschaft.


Die Mitglieder des Fördervereins samt Museumsdirektor bilden ein farbiges Spektrum um diesen interessanten Kern, und stellen bereits in der Funktion von reinen Karikaturen einige Fragen zum Kunstbetrieb, zur Funktion eines Museums und zur Absurdität der Ausmaße von Künstlerverehrung. Doch hat auch jeder der Mitglieder eine echte und wertvolle Wahrheit in sich, die im Laufe der Reise zum Vorschein kommt – und kritisch unter die Lupe genommen wird.


Obwohl Magnussons Roman ein sehr unterhaltsamer und sich leicht lesender Text ist, kommen hier auch große Fragen zur Geltung. KD Pratz ist schlussendlich weder Gott noch Gandhi, und ebenso kann interpretatorisch behauptet werden, dass dieser Roman ihn und damit das Künstlertum in ein kritisches Licht stellt. Doch dann rettet ihn als Figur seine Menschlichkeit.


Der Autor schafft es, zwischen Humor und Sinngehalt zu balancieren und bedenkliche Ereignisse in einen humorvollen und erzählerisch hervorragenden Text zu verpacken. Gedanken zum Künstlertum, zum Museumswesen und zum Sinn, Zweck und Gehalt von Kunst werden hier in einem köstlich ausgeschmückten Text dargelegt, in dem jedes Ereignis meisterhaft getaktet und auf alle Kleinigkeiten bezüglich der Figurendynamiken und Narrative eingestellt ist.


Darüber hinaus ist dieser Text ein Freudenspiel an Eindrücken für jeden, der sich mal im Main-Taunus-Kreis aufgehalten hat – denn das Buch ist gefüllt mit farbenfrohen, lebendigen Landschaftsbeschreibungen der hiesigen Burgen, Berge und Straßen.



Magnusson kann hervorragend erzählen und schreiben, Ein Mann der Kunst ist in jeder Hinsicht lesenswert.

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