Die französisch-marokkanische Autorin Leïla Slimani (* 1981) gehört zu den wichtigsten Stimmen europäischer Gegenwartsliteratur. Ihre Romane und Essays sprengen konventionelle Denkmuster, trauen sich mit analytischem Blick in die von der Öffentlichkeit unberührten Ecken der weiblichen Psyche und hinterfragen kritisch herrschende politische Strukturen sowohl im westlichen als auch im östlichen Gefilde.
Welche komplexen Familiendynamiken untersucht der Nachfolgerroman „Schaut, wie wir tanzen“ – und wo knüpft die Geschichte am ersten Teil der Trilogie an?

Leïla Slimanis neuester Roman „Schaut, wie wir tanzen“ (Regardez-nous danser), aus dem Französischen übersetzt von Amelie Thoma, fungiert als Weiterentwicklung, Mittelstück und essenzielles Bindegewebe ihrer im letzten Jahr begonnenen Marokko-Trilogie.
Während Teil eins der Trilogie, „Das Land der Anderen„, die Ehedynamik der Elsässerin Mathilde und des Marokkaners Amine beobachtet und die patriarchalen Strukturen im Marokko der 1950er Jahre untersucht, führt Teil zwei Leserblicke auf die ereignisreichen Lebensgeschichten von Mathildes Kindern, Aïcha und Selim – und erforscht maßgebliche kultur- sowie polithistorische Ereignisse der folgenden Dekaden.
Die Slimanis Protagonist*innen eigene Ambivalenz, innere Spaltung und Aufbruchsstimmung charakterisiert auch die junge Generation – die in Gänze aus ihren als einschränkend, regressiv und traditionalistisch empfundenen Käfigen fliehen möchte.
So wird Amine im Figurenkonstrukt zunächst nicht nur als Unterdrücker seiner Ehefrau, sondern als dasjenige positioniert, von dem ultimativ jede der im Roman porträtierten jungen Menschen sich absetzen, weiterentwickeln und differenzieren möchte.
„Diese Welt war voller Väter,
denen man Respekt erweisen musste:
Gott, der König, das Militär,
die Helden der Unabhängigkeit und die Arbeitenden.
Immer, wenn man angesprochen wurde, fragte derjenige nicht,
wie man hieß, sondern erkundigte sich: „Wessen Sohn bist du?“„(45)
Slimani wählt eine waghalsige Anzahl an Figuren, die in argumentativ gleichen Maßen zur Sprache kommen – eine maßgebliche Bereicherung an Perspektiven auf Marokko in den 1960er, 70er und 80er Jahren, die den expositorischen ersten Teil gelungen weiterentwickeln.
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Lebenswichtige Entscheidungen, Gefühle und Reaktionen der Protagonistinnen erklären sich ohne Ergänzungsbedarf aus den in „Das Land der Anderen“ errichteten figurenpsychologischen Linien.
Dennoch bietet Slimani im Vorspann des zweiten Teils eine kurze – willkommene – Figurenübersicht, die den Einstieg anderthalb Jahre später um einiges erleichtert.
„Sie erwähnten [Spoiler] nicht, und [Spoiler] stellte die
Fragen nicht, die ihm auf der Zunge brannten.
Er fürchtete zu sehr, diese Momente zu zerstören,
und ihm schien, keine Liebe sei schöner als die,
bei der man die Worte zurückhält.“(109)
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