Die Montagsfrage #62 — Wenn ihr euch eine Sprache aussuchen könntet, in der ihr gern flüssig lesen könntet, welche wäre das?

Die Montagsfrage ist ein Dialog, der allerlei Themen bezüglich diverser Aspekte des Literaturbetriebs umfasst. Die Frage wird wöchentlich gestellt von Antonia bei Lauter&Leise.

Heute geht es ums Lesen in mehreren Sprachen. Ich verrate euch, in welchen Sprachen ich zurzeit lese und in welchen Sprachen ich gerne noch lesen möchte.


Heute beschäftige ich mich erneut mit meiner individuellen Backlist unbeantworteter Montagsfragen.

Im Folgenden meine Gedanken zur Montagsfrage #62 — Wenn ihr euch eine Sprache aussuchen könntet, in der ihr gern flüssig lesen könntet, welche wäre das?

Das Thema Sprachen, Übersetzungen und multilinguales Lesen liegt mir grundsätzlich sehr am Herzen, da ich selber dreisprachig aufgewachsen bin. Als Estländerin lernt man in der Kindheit meistens mindestens zwei Fremdsprachen – für kleinere Länder ist es eben nicht gegeben, dass man mit der eigenen Sprache auf großflächigen Territorien zurechtkommt, und man eignet sich bereits im jungen Alter Mittel an, um dies zu ergänzen.

Bereits zur Schulzeit las ich auf Estnisch, Englisch und Deutsch. Ich war auch schon in jungem Alter eine Lesebesessene, weswegen die sprachliche Vielfalt mir von klein an sehr viel Spaß gemacht hat. Ein Buch in der Originalsprache lesen zu können ist eben wesentlich interessanter als sich die Übersetzung vornehmen zu müssen – Kenntnisse in vielerlei Sprachen stärken den Gebrauch der eigenen Muttersprache, erweitern den kulturellen Horizont und erlauben es, dem Autor und dem Text näherzukommen, indem man den Vermittler – in diesem Fall den Übersetzer – entfernt.

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Es gibt natürlich zahlreiche hervorragende Übersetzungen, die den Text gut übermitteln und kaum den Kern des Buches reduzieren. Andererseits läuft man auch Gefahr, bei einer mittelmäßig beherrschten Sprache etwas an der Bedeutung zu verlieren, wenn man selber nicht bewandt genug ist, um die Nuancen zu verstehen.

(Davon abgesehen können auch interpretativ legitim vollständig auseinandergehende Lesarten eines Romans entstehen, die nichts mit der Sprache zu tun haben. Aber das ist nicht Teil der heutigen Montagsfrage.)


Meine Wunschsprachen für die Ergänzung meiner Lektüren beziehen sich auf diejenigen Sprachräume, die mir am nächsten liegen. Dies sind: Spanisch (und damit auch ein großer Teil der lateinamerikanischen Literaturlandschaft), Russisch und Japanisch.

Sehr bewundere ich auch Skandinavische Literatur, doch bin ich imstande, sowohl (von Instanzen, denen ich vertraue als sehr gut bewertete) estnische und auch deutsche Übersetzungen dieser zu lesen – daher möchte ich meine Wünsche nicht ins Unendliche steigern und möchte im realistischen Umsetzungsraum bleiben.


Russisch lernte ich als Wahlfach ein Jahr lang am Gymnasium und besuchte zwei Jahre lang einen Sprachkurs während des Bachelorstudiums. Russisch ist eine unglaublich komplexe Sprache mit eigenem Alphabet, einer sich ständig wandelnden kulturellen Vielschichtigkeit, die des Öfteren nur für unmittelbare Teilnehmer nachvollziehbar ist – und einer Wucht an Umgangssprache, die ohne Sprachpraxis vor Ort nicht angelernt werden kann. Dies weiß ich sowohl von meiner Elterngeneration aus Sowjetunion-Zeiten als auch von meinen estnischen Freund:innen aus kulturell gemischten Familien. Daher mache ich mir keine wirklichen Hoffnungen, diese Sprache auf einer akzeptablen Ebene zu beherrschen.

Mit Japanisch setzte ich mich zwei Semester lang während des Bachelorstudiums auseinander. Diese Sprache stellt mich ebenso vor alle oben genannten Hürden. Als Anfäger:in ist es notwendig, über die Katakana und Hiragana-Alphabete hinaus ca. 2000 Kanji zu erlernen, um überhaupt auf einer rudimentären Ebene lesen zu können. Die moderne Umgangssprache lehnt ans Englische, weswegen Ausdrücke aus dieser Spalte weniger schwer zu erlernen wären. Doch historische Nuancen, Variationen von Wörtern aufgrund ihrer Höflichkeitsformen und die unendliche Variation an Kanji-Kombinationen würde ein ebenso intensives jahrelanges Studium der Sprache bedeuten, ehe ich mich an ein literarisches Werk heranwagen könnte. Daher kann ich nur froh sein, dass asiatische Literatur zurzeit eine Hochzeit im deutschsprachigen Raum genießt und ich die Früchte dieser Trends verzehren kann.


Realistische Ziele, eine Sprache auf flüssigem Niveau zu erlernen hege ich, was Spanisch betrifft. Mit simplen Gehilfen wie die Duolingo-App und YouTube-Videos ist es relativ schnell möglich, das Niveau A2 zu erreichen (Sprachtests können übrigens auch in vielen anderen Sprachen auf der Webseite von Klett gemacht werden) – und von da an kann man im Spanischen bereits in leichtere Lektüren wie Märchen einsteigen, die im Russischen auf demselben Niveau noch erhebliche Probleme bereiten.

Zusammenfassend: sollte ein Dschinn hier in der Nachbarschaft auftauchen und mir drei Wünsche freigeben, würde ich ihn um flüssige Sprachkenntnisse im Russischen und im Japanischen bitten. Den dritten Wunsch würde ich allerdings für etwas anderes aufheben, da Sprachkenntnisse mir zwar ungemein wichtig sind, eine solche Gelegenheit allerdings auch für andere Zwecke genutzt werden kann. 😉


In welchen Sprachen liest Du – und wenn Zeit und Fertigkeiten kein Hindernis wären, welche Sprachen würdest Du gerne flüssig beherrschen?

Auf Deine Gedanken in den Kommentaren freue ich mich sehr.



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  1. Zunächst: Das ist wirklich eine super Montagsfrage!
    Ich beherrsche leider nur meine Muttersprache: Deutsch. Sprachenlernen fällt mir sehr schwer, vor allem das Sprechen und bilden von Sätzen. In Fächern wie Latein war ich hingegen sehr gut. Intuitive Sprachkenntnisse, ggf. im Wörterbuch nachschlagen, kein Sprechen und kein Bilden von Sätzen. Das hat mir viel Spaß gemacht. Für mich war es quasi wie Rätsel lösen, wie eine Geheimsprache.

    Englisch hingegen ist mir immer sehr schwer gefallen. Ich verstehe es oft ganz gut, muss aber an vielen Stellen den UT mitlesen, um es wirklich zu verstehen. Meine Sprach- und Schreibkenntnisse sind hingegen – wie ich finde – sehr dürftig. Matt Haigs „Midnight Library“ würde ich wohl ohne größere Schwierigkeiten lesen können, alles andere wäre schon schwierig und kostet nicht nur Überwindung, sondern auch Kraft/Aufwand. Wenn ich also einen Wunsch frei hätte: Dann zumindest Englisch, da mir Sprachen einfach nicht leicht fallen und dadurch schon vieles einfacher werden würde.
    Bisher habe ich mir Grundkenntnisse in Schwedisch (A1) angeeignet. Dafür habe ich in der Uni einen Kurs absolviert und selbstständig nebenbei Duolingo geübt. Da fehlt mir aber dann ein richtiger Erklärteil hinsichtlich der Grammatik. Denn sich selbst aus Übungen die Struktur der Sprache herzuleiten, finde ich nicht so einfach.

    Deine Wunschsprachen Russisch und Japanisch kann ich wirklich nur nachempfinden. Wäre mein Sprachlernfähigkeit nicht so begrenzt, wären das auch meine Favoriten. Russisch finde ich unheimlich spannend. Da bin ich allerdings auch an den Grundlagen Duolingo-Übungen gescheitert.

    Im Allgemeinen ein sehr spannendes und wichtiges Thema. Sprachen sind eine ungemeine Bereicherung für das Leben, denn sie bringen nicht nur Kultur der jeweiligen Länder mit sich, sondern auch andere Perspektiven auf die Welt. Es ist schade, dass sich so oft dabei – wie wir beide es natürlich auch tun – nur auf die großen Sprachen festgelegt wird. Allerdings glaube ich, dass es vielen Menschen, wie mir auch, sehr schwer fällt, überhaupt zusätzliche Sprachen fließend zu lernen/zu sprechen und es daher nur vernünftig wäre, sich ein Sprachsystem auszusuchen, dass der Muttersprache bereits ähnelt (z.B. Englisch). Wenn man das halbwegs vernünftig sprechen oder lesen kann, ist einem damit in der Welt schon viel geholfen. Obwohl es natürlich noch viel spannender wäre, eine afrikanische oder südasiatische Sprache zu können. Ich beneide alle darum, die überhaupt mehr als eine Sprache sprechen und habe davor großen Respekt.

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    • Ich finde persönlich sogar, dass es heikel ist zu behaupten, irgendeine Sprache überhaupt zu beherrschen – da sie lebendige Tiere sind, die man ständig pflegen und füttern muss (im Sinne von neuem Wortschatz, Sprechsicherheit und ggf. schriftliche Kompetenz in puncto Rechtschreibung und eigenes Alphabet, siehe in meinem Fall insbesondere Russisch, welches ich noch versuche, auf einem rudimentären Level zu pflegen. Japanisch habe ich aus offensichtlichen Gründen aufgegeben – auch in meinem Tag sind nur 24 Stunden 😀 )
      Duolingo ist ein Goldwert in dieser Hinsicht, vor allem mit den Ergänzungen, die in diesem Jahr noch eingeführt worden sind. Die App hat mir bei Spanisch unglaublich viel weitergeholfen und tut es auch im Russischen (wobei ich da tatsächlich Vorabkenntnisse für essenziell halte). Ich benutze Duolingo weiterhin täglich.
      Danke dir für die reichliche Resonanz!

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      • Da hast du recht. Sprache ist wie ein Haustier, dass gefüttert und gepflegt werden muss. Das ist eine wirklich treffende und schöne Analogie!

        Duolingo kann ich an sich auch nur empfehlen und nutze es auch gern. Ich denke aber, dass ein Lehrbuch für die Grundgrammatik und Flexionen nebenbei nicht schaden kann, um das angeeignete nochmal zu überprüfen und ggf. nachzulesen. 😁

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  2. Aaah, Japanisch habe ich tatsächlich auch viele Jahre lang gelernt! Das mit Kanji ist fies, ja. Aber irgendwann kann man sich einige davon erschließen anhand der Radikale („Teilstücke“) oder weil sie zusammengesetzt eine nachvollziehbare Bedeutung ergeben. Aber allein als ich mal mehrere Bezeichnung für Züge und andere Verkehrsmittel gelernt habe, die schon etwas spezieller als nur „densha“ (Zug) waren, habe ich bei den Kanji nicht mehr durchgeblickt.
    Russisch habe ich auch mal angefangen zu lernen aber im Gegensatz zum japanischen aufgehört und aufgegeben. Mir ist die Grammatik tatsächlich zu kompliziert und ich habe sehr schnell den Spaß daran verloren … leider. Vielleicht lag es in der Vermittlung gepaart mit dem Gefühl des „abends nach der Arbeit in die Volkshochschule müssens“ und es hat sich zu sehr nach Zwang und zu wenig nach Wunsch angefühlt …

    Ich stelle es mir total spannend vor dreisprachig aufzuwachsen – ich selber bin leider „nur“ einsprachig aufgewachsen 😉 der Rest kam mit der Schule. Dort habe ich es aber sehr genossen Französisch zu lernen. Für komplizierte Grammatik reicht es nicht mehr, aber es mal im Urlaub anzuwenden oder in einem Film ein paar Sätze wiederzuerkennen, macht mich jedes Mal glücklich.

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