Eine neue Sicht in die Vergangenheit. Janina Ramirez: „Femina“

Die britische Kulturhistorikerin, Literatur- und Sprachwissenschaftlerin, Dozentin und Forscherin Dr. Janina Ramirez (* 1980) ist Autorin von zahlreichen Fachartikeln und Sachbüchern.

Ramirez‘ neue Monografie „Femina“ setzt konventionelle Konzepte zum Mittelalter in Teilen vollständig außer Gefecht – und öffnet diverse Horizonte für eine Neuinterpretation zahlreicher maßgeblicher Ereignisse aus der Geschichte Europas.


© aufbau Verlag

Janina Ramirez zeigt mit ihrer neuen Monografie „Femina. Eine neue Geschichte des Mittelalters aus Sicht der Frauen“, übersetzt von Karin Schuler, nicht nur erfolgreich auf, in welche Bahnen historisch interessierte Blicke gelenkt werden sollten, um alteingebackene Ansichten grundlegend zu revolutionieren.

Ramirez deckt in ihrer Monografie eine Unmenge an historischen blinden Flecken auf, die meist von bedeutenden Frauen besetzt und daher kaum schriftlich überliefert worden sind.

Der passend gewählte Titel „Femina“ sei ein entsprechender Randhinweis gewesen, wenn Texte von einer Frau geschrieben und somit nicht der Aufbewahrung wert seien (S. 29).


Ramirez‘ extensive Arbeit an diesem üppigen Sachbuch hat sich definitiv ausgezahlt: die spannenden Kapitel der Monografie bereichern Lesende sowohl in puncto Allgemeinwissen als auch um faszinierende Zusammenhänge, die historisch interessierten Laien ohne diese Lektüre kaum in den Sinn gekommen wären.

Beispielsweise erörtert Ramirez in ihrem Buch die Relevanz und die Informationsdichte von diversen Objekten, die noch bis dato neue Informationen über ihre Zeit bieten, wie Knochen, Kleidung, Schmuck – und Münzen.


Münzen […] zählen zu den faszinierendsten und
nützlichsten historischen Artefakten überhaupt.“(102)


Wie sowohl Aufwendigkeit als auch Materialien, Abbildungen, Inschriften und andere Aspekte von Münzen, Waffen und Kleidern enorm viel über ihre Träger*innen sowie deren zeitgenössische Position aussagen, kann mensch sich zwar in gewissem Maße denken – doch führt Ramirez die Vielfalt an zu entdeckenden Informationen beeindruckend weit aus.

Museumsbesuche werden nach dieser Lektüre definitiv noch um einiges interessanter und informativer sein.


Werte*r Leser*in!


Dieser Buchblog ist unabhängig. Seine Inhalte entstehen aus der literarischen Leidenschaft

einer einzelnen Person und können nur mit Deiner Unterstützung gedeihen und wachsen.

Nicht nur mit Deiner Lesezeit, sondern mit dem Teilen und Empfehlen der Beiträge an andere
literarisch interessierte Personen trägst Du zu diesen Prozessen bei. Danke schön!

Optional kannst Du die Pflege dieser Webseite und die Entstehung neuer
Inhalte gerne zusätzlich auf folgenden Wegen unterstützen:


• Bestellung bei genialokal.de* |  Thalia * | bücher.de * | buch24.de *
• Spende über PayPal
• Abonnement auf meinem YouTube-Kanal
• Kauf meiner Lesezeichen (E-Mail an sandra.falke.libri@gmail.com)
Ausführliche Infos zum Thema Support findest Du hier.


Vielen Dank für Deine Unterstützung!


Ramirez obduziert bekannte Artefakte wie den mysteriösen Teppich von Bayeux oder den Riesencodex von Hildegard von Bingen, klärt über Ausgrabungsstätten wie Birka, Loftus und Repton auf – und hebt immer wieder Bezüge zwischen unseren Blicken in die Vergangenheit und historischem Nachhall aus vergangenen Jahrhunderten hervor.

Die auf den ersten Blick etwas vage formulierten Titel bezeichnen Bereiche und Berufe, in denen die besprochenen Frauen sich bewegten, und ziehen ebensolche Fäden zur Gegenwart. Auf diesen langen Wegen fallen Ramirez auch die Wechselwirkungen und Gefahren von Interpretationen mit bestimmtem, u. U. schädlichem Telos auf:


[…] mir [wurde] ein gefährlicher Unterton in der Beschäftigung
mit dem Mittelalter bewusst, einer Zeit, die immer häufiger
von der äußersten Rechten gekapert wird […].“(37)


Als Gegenstimme und Befürworterin von Egalität und Parität hebt Ramirez selbst in einem wunderbar ausgewogenen Ton dasjenige hervor, was an den besprochenen Frauen besonders beeindruckend und wichtig ist – beschreibt allerdings immer auch breitere Kontexte ihrer Wirkungsräume sowie ihren historischen Nachhall.


Eine neue Sicht in die Vergangenheit
kann die Gegenwart beeinflussen.“(13)


Besonders interessant ist aus meiner Sicht die geographische Diversität des behandelten Materials: Ramirez‘ Recherchen erstrecken sich über den gesamten europäischen Raum, behandeln zentrale historische Ereignisse aus der Zeit des Mittelalters – und ordnen weniger oder nur lokal bekannte Persönlichkeiten in diese Kontexte ein, sodass bis dato als zentral gesehene Momente, Personen und Kontexte auf eine nachvollziehbare und spannende Art und Weise ergänzt, verschoben, neu gedeutet und erweitert werden können.

Überdies beschäftigt Ramirez sich mit Diskursen, die entweder direkt an zeitgenössische Brennpunkte gebunden sind, oder lehnt mittelalterliche Kontexte an relevante Begriffe und Deutungsräume unserer Zeit an. Es geht unter anderem um Feminismus, Religionsfreiheit, Bildungsungleichheit, Nepotismus und Snobismus, Diplomatie, Diversität – und noch so vieles mehr.


Nachteilhaft für eine effiziente Lektüre der Monografie ist die abstrakt bleibende Einteilung in Kapitel mit vagen Titeln wie „Macherinnen“, „Kriegerinnen und Anführerinnen“, „Künstlerinnen und Mäzeninnen“ et cetera. Die Kapitel selbst werden zwar in klar strukturierte Unterkapitel gegliedert, doch ist es ohne eigenhändig angebrachte Lesezeichen oder Zettelchen nicht möglich, die Seitenzahlen dieser Gliederung nachzuvollziehen und nach der Lektüre bestimmte Passagen, Orte oder Personen zu finden.

Da Ramirez generell sowohl geographisch als auch chronologisch stringent agiert, wirkt die Entscheidung, die Unterkapitel nicht im Inhaltsverzeichnis zu berücksichtigen, etwas unüberlegt. Doch ist es immerhin möglich, über ein Personen- und Ortsregister auf die entsprechenden Stellen zurückzugreifen. Überdies wird die Monografie durch einen üppigen Katalog an Anmerkungen und Literaturhinweisen ergänzt, die zum Schluss des Buchs angehängt und kapitelweise aufgeteilt sind.


„Femina. Eine neue Geschichte des Mittelalters aus Sicht der Frauen“ ist meinerseits eine Leseempfehlung mit Nachdruck. Ramirez‘ Monografie behandelt einen immensen Brocken an Zeit, beschreibt Milieus und Kulissen, die vielen Lesenden lediglich aus Schulbüchern und TV-Serien bekannt sind, authentisch und fesselnd – und bereichert zahlreiche zeitgenössische Diskurse um neue Anhaltspunkte, die das kollektive Gedächtnis von Grund auf revolutionieren.

Sofern Dich – auch im entferntesten Sinne – europäische Geschichte vor dem 18. Jahrhundert interessiert, wird dieses fesselnde und gehaltvolle Sachbuch Deinen Horizont erweitern und Dein Wissen immens bereichern.

Hier geht’s zur Leseprobe.

Direkt bestellen bei genialokal.de *

Bibliografie:

Titel: Femina. Eine neue Geschichte des Mittelalters aus Sicht der Frauen
Originaltitel: Femina: A New History of the Middle Ages Through the Women Written Out of It
Autor*in: Janina Ramirez
Übs.*in: Karin Schuler

522 Seiten | 28,00 € (D)

Erscheinungsdatum: 14.02.2023
Verlag: aufbau
ISBN: 978-3-351-04181-6

Du möchtest meinen Blog unterstützen? Ausführliche Infos findest Du hier.

Dein nächstes Buch über meine Links * bestellen: 
genialokal.de* |  Thalia * | bücher.de * | buch24.de *

Literarische Kaffeekasse: Spende über PayPal

Vielen Dank für Eure großzügige Unterstützung: Anna, Sebastian und Michael.

Vielen Dank für Eure Unterstützung: Andreas, Karl, Orsolya, Dominik, Vassiliki, Debbie, Sofie,
Corina, Melanie, Anne, Jule, Sylvia, Boris, Friederike, Annika, Tanja, Snezana, Jens, Ilona, Claudia, Viktoryia und Monica.

* durch Deine Bestellung über die mit * gekennzeichneten affiliate Links oder die Werbebanner auf der rechten
Seitenleiste verdiene ich eine Kommission. Dir fallen keine Zusatzkosten an.


Vielen Dank!

Audio | Video | aktuelle Lektüren | E-Mail | Support:    Sandra Falke im Netz



Kategorien:Home, Sachbuch

Schlagwörter:, , , , , , , , , , , , , , , ,

  1. Liebe Sandra,
    vielen Dank für deinen Leseeindruck von „Femina“. Ich liebäugele schon etwas länger mit dem Buch, da das Mittelalter im allgemeinen immer noch als was dunkeles und eher männergeschieben wirkt. Nun werde ich das Buch definitiv auf meine eBook Wunschliste setzen.

    Gefällt 1 Person

  2. Klingt total interessant, kommt auf meine Liste!

    Gefällt 1 Person

Kommentar verfassen

Trage deine Daten unten ein oder klicke ein Icon um dich einzuloggen:

WordPress.com-Logo

Du kommentierst mit deinem WordPress.com-Konto. Abmelden /  Ändern )

Facebook-Foto

Du kommentierst mit deinem Facebook-Konto. Abmelden /  Ändern )

Verbinde mit %s

Diese Seite verwendet Akismet, um Spam zu reduzieren. Erfahre, wie deine Kommentardaten verarbeitet werden..

%d Bloggern gefällt das: