Autor, Journalist und Filmkritiker Jurica Pavicic beleuchtet in seinen Romanen gesellschaftliche Umbrüche und politische Entwicklungen im Heimatland Kroatien. Seine Geschichten spielen in Split, Misto und Zagreb und behandeln Themen wie Korruption, Generationenkonflikte und kulturelle Entwicklungen.
Pavicic‘ neuester Roman Blut und Wasser (Crvena voda, 2017) ist Krimi und Gesellschaftsroman zugleich. Die komplexe Erzählung behandelt die vielfältige und tiefgründige Thematik um Kroatiens Geschichte und gesellschaftliche Entwicklungen in den 1990er und 2000er Jahren, beschreibt wirtschaftliche Umbrüche und generationenübergreifende Konflikte um das Land der Vorfahren. Zeitgleich schwebt durch die Handlung hindurch ein womöglich grausamer Mord, denn die Protagonisten sind auf der Suche nach einer spurlos verschwundenen jungen Frau.
Der komplexe Krimi streckt sich zeitlich von 1989 bis 2016 und umfasst mehrere Figurenperspektiven und Schicksale. Die Verdeutlichung der Figuren als Teile ihrer jeweiligen Familieneinheiten stellt ein faszinierendes Detail dar: Obwohl der Nachhall und die emotionalen Folgen der jahrzehntelangen Suche nach Silva Vela von allen drei Perspektiven der Familienmitglieder dargestellt werden, bewegt die Familie sich stets wie eine Einheit. Auch im Zustand der Trennung wird die unsichtbare Rolle der restlichen Familienmitglieder hinzugefügt. Dieses Detail trägt dem Gesamteindruck der sozialen Landschaft der Dorfgemeinschaft an der kroatischen Adria stark bei.
Tatsächlich ist das Land genauso als Protagonist des Romans zu behandeln wie die einzelnen Figuren und Familien, die sich darauf bewegen. Blut und Wasser beleuchtet Kroatiens politische Wandlungen, die Auswirkungen des Kroatienkrieges, den touristischen Aufschwung, der zu einer kapitalistischen Ausbeutung der Küste und die damit einhergehenden schwerwiegenden Familien- und Generationenkonflikten führt.
Der Roman liegt für mich stilistisch irgendwo zwischen Joachim B. Schmidts Kalmann und Hosseinis Drachenläufer – Pavicic zeigt die Entwicklung von Menschenschicksalen über Jahrzehnte, und vergleicht auf eine ernüchternde Art die Kontraste zwischen Kindern, wie sie am Elterntisch sitzen, und den Persönlichkeiten, zu denen sie sich außerhalb der elterlichen Fittiche entwickeln können. Sowohl Silva, ihr Bruder, als auch beide ihrer Verehrer haben zwei Persönlichkeiten mit gravierenden Unterschieden in Ideologie und Moral. Die Einflüsse kultureller und politischer Zäsuren auf die jeweiligen Figuren bilden einen sehr spannenden Rahmen um die Familiengeschichte.
Pavicic beschreibt seine vielschichtige und weitgreifende Handlung auf eine übersichtliche Art und Weise – und doch ist die historische Auseinandersetzung mit der Geschichte Kroatiens keineswegs eine oberflächliche Schilderung, sondern eine reflektierte Analyse der Umbrüche und Meilensteine der eigenen Landesgeschichte.
Als bestreitbares Manko des Romans ist mir irgendwo im letzten Drittel aufgefallen, dass die Erzählung weibliche Perspektiven vernachlässigt. Andererseits trägt diese Entscheidung der Haupthandlung bei, sobald man am Ende der Erzählung angekommen ist.
Blut und Wasser ist eine erschütternde Schilderung von Familiengeschichten, dem politischen Schicksal Kroatiens und eine Beleuchtung realistischer Lebensläufe derer, die innerhalb dieser Geschehnisse zeitgleich ums tägliche Überleben und mit tiefer Trauer kämpfen müssen.
Und nebenbei ist das Buch noch ein ungemein spannender Krimi.
Hier geht’s zur Leseprobe.
Bibliografie:
Titel: Blut und Wasser
Autor: Jurica Pavicic
Seitenzahl: 276
Erscheinungsdatum: 1.11.2020
Verlag: Schruf & Stipetic
ISBN: 9783944359496
Blut und Wasser bestellen bei: Thalia * buch24.de *
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Kategorien:Home, Neuerscheinungen
Ich habe dieses Buch auch sehr gern gelesen und kann Deine Besprechung nur unterschreiben. Werde sogleich einen Link setzen. Schön, dass ich Deinen Blog gefunden habe. Viele Grüße
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Vielen Dank für Deinen Kommentar und die Verlinkung! Ich war sehr positiv überrascht und werde sicherlich einen weiteren Roman von Pavicic in die Hand nehmen – zumal kaum Autoren aus Kroatien meines Wissens nach auf der europäischen Landschaft bekannt sind. Auch Deinen Beitrag habe ich mit Interesse gelesen! Lieben Gruß zurück, Sandra
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