Panorama: Leseempfehlung Literaturmagazin?

Ein gutes Literaturmagazin ist der beste Begleiter für buchinteressierte Individuen. Es bietet Leseproben aus empfehlenswerten Neuerscheinungen, Informationen zu interessanten neuen Autor:innen und ästhetisch ansprechende Inhalte.

Sind gute Literaturzeitschriften mittlerweile zu Raritäten geworden – und welche vielversprechenden Neuerscheinungen bringt die jüngste Generation mit sich?


Vom Athenäum zum New Yorker, von den Horen zur Paris Review – Literaturmagazine sind seit Anbeginn der Publikation belletristischer Formate ein fester Bestandteil des Betriebs gewesen.

Für neue Autor:innen stellte die Veröffentlichung in einer Literaturzeitschrift den ersten Meilenstein zur Verbreitung der eigenen Texte dar, für Herausgeber:innen bot sich die Möglichkeit, den zeitgenössischen Literaturdiskurs mitzugestalten, Kontakte zu knüpfen – und selbst publiziert zu werden.

Verleger:innen und Bestsellerautor:innen trafen sich im vergangenen Jahrhundert zunächst auf den Seiten des Literaturmagazins. Ausschnitte von Romanen, die wir heutzutage als Klassiker kennen und lieben, wurden vor der Buchveröffentlichung kapitelweise in einer Zeitschrift publiziert. In gewisser Hinsicht stellten diese daher tatsächlich einen gewichtigeren Teil des Literaturbetriebs dar, als sie es heutzutage tun.

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Immer wieder werden neue, vielversprechende Formate gegründet, die der klassischen oder auch 0815-Form der mit Werbung vollgepackten, kommerziell motivierten Buchmagazine entgegenwirken.

Nur findet man diese seltener im Kiosk oder beim Buchhändler – meistens muss man eigene online-Recherche betreiben, den Herausgeber über irgendwelche Umwege kennen und am besten noch selbst einige Jahre im literarischen Betrieb tätig gewesen sein.

Aus persönlichem Interesse gegenüber der Magazinlandschaft – eine Nische, die in meinem Wissen zum literarischen Betrieb in Deutschland bisher als bedenkliche Lücke dastand – begann ich meine Recherchen zu Literaturmagazinen mit dem Ziel, Publikationen zu finden und kennenzulernen, die kulturelle und individuelle Diversität fördern und ausdrücken.

Denn an einer kaukasischen, eurozentrischen Perspektive bin ich weniger interessiert – und abseits davon, wenn auch beim eins-zu-eins Abschreiben größerer Verlagsprogramme aus Versehen die Beteiligung von BIPoC-Autor:innen im „Ladensortiment“ vorgewiesen werden kann, reflektieren beunruhigend wenige Literaturzeitschriften über Diversität und Solidarität in ihrem Kontingent, wie sich auf den ersten Blick in die respektiven Autor:innenlisten herausstellte.

Glücklicherweise entdeckte ich dennoch relativ schnell zwei hochinteressante Berliner Publikationen, die ich auch euch an dieser Stelle näherbringen und wärmstens empfehlen möchte.


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Das Geistesblüten Literatur- und Kulturmagazin ist aus dem täglichen Umgang in einer Berliner Autorenbuchhandlung entstanden, wo die Herausgeber Marc Iven und Christian Dunker an unterschiedlichen Kulturprojekten und Buchempfehlungen arbeiten.

Im Geistesblüten Magazin vereinen die beiden Herausgeber ihre Eindrücke und Leseempfehlungen mit liebevoll kuratierten visuellen Inhalten, Leseproben, Fotos und Kunstdrucken. Die Cover werden vom Illustrator Olaf Hajek gestaltet. Die Geistesblüten sind daher nicht nur inhaltlich umwerfend – die Trefferquote der darin vorkommenden Autor:innen und meinen persönlichen Lesebegeisterungen liegt irgendwo im neunzig-Prozent-Bereich –, sondern auch visuell ein wahrer Genuss.

© „LOVING“ by 5 Continents Edition / geistesblueten.com
© Volker Hinz Estate / geistesblueten.com

Grundlegend für jede Ausgabe sind Interviews, Kurzformate, Leseproben und Buchvorstellungen, doch zählt zum Konzept auch ein Kunstbuch, dessen Inhalte für die bildliche Gestaltung des Covers als Bausteine dienen und zeitgleich visuelle Intermezzi zwischen den Textbeiträgen bieten.

Wer sich einen Stapel visuell beeindruckender Kaffeetischbücher mit grandiosen Inhalten aneignen möchte, hat hier zweierlei den Jackpot geknackt. Es ist zwar möglich, die Zeitschrift online zu bestellen – ein Besuch in der Buchhandlung lohnt sich allerdings umso mehr.

Hier geht’s zu den Geistesblüten



Ein weiteres meinerseits uneingeschränkt empfehlenswertes Magazin ist die Literarische Diverse, ein Magazin für junge und vielfältige Literatur, herausgegeben von Yasemin Altınay. Der Literarische Diverse Verlag veröffentlicht bevorzugt BIPoC und LGBTIQ* Stimmen und steht für die Tradition der Selbstermächtigung.

Jede Ausgabe des Magazin umkreist ein gewisses Themengebiet, in Bezug zu welchem Lyrik, Essays, Prosa und Illustrationen erscheinen. Auch diese Zeitschrift hat einen Fokus auf visuelle neben textuellen Inhalten – doch sind die Illustrationen wenn nicht erster Hand, dann thematisch-kontextuell an die Texte gebunden.

Die bisher erschienenen Magazine sind: #1 Engagement, #2 Sprache und #3 Widerstand. Die neueste Ausgabe wird sich dem Thema Liebe widmen.

Sowohl Illustrationen als auch Texte des Magazins sind wirkungsstark, markant und tiefgreifend. Eine gut getaktete Balance zwischen Prosa, Lyrik, Interview und Illustration wird auf den Seiten bemerkbar. Die Wirkung der Inhalte ist intensiv, eine gemächliche Lektüre daher empfehlenswert.


© Sandra Falke / sandrafalke.com

Es ist faszinierend reflexiv zu merken, wie diese zwei inhaltlich und konzeptuell von Grund auf unterschiedliche Magazine dieselben Ziele verfolgen: Diversifizierung der literarischen Diskurse und Erweiterung des Resonanzbodens für neue Perspektiven und kulturell vielfältige Inhalte.

Darin besteht meines Erachtens der zeitgenössische Wert von Literaturzeitschriften: ihre Leser:innen zur tieferen Reflexion zu inspirieren, einen Schub zum Nachdenken über aktuelle Tendenzen und Veränderungen auf dem jüngsten literarischen Markt zu geben; tief in die Metaebenen, Diskurse, Dialoge, Wirkungsräume und Bedeutungsfelder von Romanen, Dramen und Lyrik zu begleiten – und auf diesem Wege eine analytisch-kritische Perspektive auf die literarische Gegenwart zu fördern.


Genau aus diesen Gründen kann ich sowohl die Geistesblüten als auch die Literarische Diverse gar nicht mit genügend Nachdruck empfehlen.

Hier geht’s zur Literarischen Diverse


Zu erforschen und erkundigen bleibt an dieser Stelle eine gewaltige Anzahl an Literatur- und Kulturmagazinen mit individuellen, diversen, divergierenden Formaten, Inhalten und Zielen. Dies waren jedoch nun meine letzten erhellenden Lektüren aus der Nische.

Wer weiter recherchieren und die Liste positiver Eindrücke ergänzen mag, dem empfehle ich persönlich diese aktualisierte Liste, die inhaltlich übersichtlich und visuell angenehm gestaltet ist. Auf Empfehlungen von meiner Leserschaft freue ich mich in diesem Rahmen besonders.


Ich persönlich habe bisher nur in Form eines Essays zur literarischen Magazinlandschaft beigetragen – bei der Armada an hervorragenden Neuerscheinungen kann ich mich schwer aufs eigene Schreiben konzentrieren. Vielleicht im Herbst…

Wer sich für meine essayistische Handfertigkeit interessiert, kann bei dieser Gelegenheit auf der Webseite von Litera[r]t vorbeischauen, wo mein Essay „Gegen die innere Leere. Literatur als Waffe zu Zeiten der Pandemie“ in der Ausgabe Junjul 2021 erschienen ist.

Hast Du schonmal Kurzgeschichten oder Essays an eine Literaturzeitschrift gesandt oder hast dies vor?

Welche Magazine liest Du und würdest auch mir empfehlen?

Auf Deine Resonanz und den Austausch in den Kommentaren freue ich mich sehr!


Mehr zum Thema:

weyrother.net: Liste der aktiven deutschsprachigen Literaturzeitschriften
Literaturport: Recherchetool und Register für aktuelle Literaturzeitschriften
poetenladen.de: Literaturmagazine
Wikipedia: Liste deutschsprachiger Literaturzeitschriften


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Lesen | hören | verknüpfen:    Sandra Falke im Netz


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