
Die Montagsfrage ist ein Dialog, der allerlei Themen bezüglich diverser Aspekte des Literaturbetriebs umfasst. Die Frage wird wöchentlich gestellt von Antonia bei Lauter&Leise.
In der heutigen Gesprächsrunde treffen wir die Entscheidung zwischen Dialog und Beschreibung – die zeitgleich schwierig erscheint und doch überaus leichtfällt.
Die Montagsfrage #131 lautet: Sind euch Dialog oder Beschreibung in Büchern wichtiger?
Als erstes darf hier nicht die Frage mit der wesentlich brennenderen und komplexeren Frage „Sprache vs. Handlung“ verwechselt werden – ein Thema, welches ich vor Kurzem im DiskursDialog und mit meiner Bookstagram-Community besprochen habe.
Da waren für mich wirklich mehrere kniffligere Nuancen im Spiel.
Heute fällt – wie versprochen – die Entscheidung einen Tick leichter, denn Dialog und Beschreibung sind meines Erachtens genrespezifische Mittel. Diese Überlegung ermöglicht ein grundsätzliches Auswahlverfahren, welches wiederum zu einer problemfreien, sicheren Wahl zwischen Dialog und Beschreibung verhilft.
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Nämlich werden rhetorische Mittel in künstlerischen Texten weder willkürlich noch zufällig genutzt. Erzählperspektiven und ihr Wechsel, Dialoge, innere Monologe und direkte Rede gestalten die Dynamik eines künstlerischen Textes sowie ihr Tempo.
Daher kann eine Beschreibung im Extremfall dazu führen, dass die Handlung in unglaublich schnellem Tempo verläuft und Jahre überspringt – wohingegen Dialoge und innere Monologe dafür gedacht sind, die Handlung zu entschleunigen, Augenbliche festzuhalten, Momente zu verschärfen und Gefühlen Nachdruck zu verleihen, die in einem intensiveren Licht aus der Einzelperspektive gezeigt werden sollen. Sobald Beschreibungen innehalten, schöpfen sie aus ihrer Umwelt.
Dialoge müssen zugleich – insofern es sich um für mich interessante Bücher handeln soll – sozialpsychologisches Allgemeinwissen und individualistische Figurenpsychologie aufgreifen und kombinieren können. Stilistische Authentizität noch zusätzlich in Kauf genommen, gestaltet sich die Schöpfung eines interessanten Dialoges wesentlich schwieriger, zudem man sich als Autor:in zeitgleich in zwei oder mehrere Perspektiven versetzen muss. Beschreibungen können aus nur einem oder mehreren Blickwinkel stammen und bieten wiederum mehr kreative Freiheiten in einfacher zu verfassender Form.
Was jedoch ebenso des Öfteren passiert und gewollt passiert – und hier fällt auch bereits meine relativ klare Entscheidung zum Thema –, ist dass ein Dialog zum Austausch von Belanglosigkeiten wird, wenn zwei Figuren miteinander resonieren sollen, doch sich auf einmal nichts zu sagen haben. Wenn die Figuren zwar äußerlich interessant wirken, doch keine durchdachte Persönlichkeit besitzen. Wenn nur eine der Figuren innerhalb der Erzählung wirklich gut positioniert und facettenreich beschrieben wird.
Gerade der Dialog ist die Form, die solche Schwächen schnell entblößt.
Denn es ist im Allgemeinen wesentlich schwieriger einen Dialog mit universal ansprechenden semantischen Assoziationen zu füllen und zeitgleich sowohl scharfsinnig als auch originell zu bleiben.
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Gut geschriebene Figuren und eine durchdachte Exposition – insofern dies stilistisch ansprechend gehandhabt wird (wie wiederum das funktioniert, erzählte ich euch anhand des Literaturtheoretikers Juri Lotman in diesem Beitrag 😉 ) fesseln mich an einen Text, den ich gegebenenfalls weiter verfolgen möchte – insofern die Handlung auch nach den ersten Seiten spannend, interessant und reflektiert ist.
Dialoge lassen den ersten Eindruck und die schön komponierte Einführung einer Erzählung jedoch oft erschlaffen, wenn es darin um Belanglosigkeiten geht, wenn die Figuren nicht durchdacht sind, oder wenn die Handlung dann zu langsam vorangeht.
Durch eine schnellere Handlung und informativ vollgepackte Passagen können inhaltliche Schwächen manchmal kaschiert werden – doch ein Dialog lässt Leser:innen auf andere Art und Weise innehalten.
In einem perfekten Text sind Handlungen mit Figuren auf eine Art und Weise verbunden, in der Dialog und Beschreibung einander ergänzen, komplementäre Farbtöne annehmen und durch eine geschickte Anwendung beider Methoden zur vielschichtigen Erzählung mit Innen- und Außenwelten werden.
In diesem Idealfall sind Dialoge als Ergänzung der Beschreibungen und Illustration von Figurendynamiken wertvoll, charismatisch und wichtig.
Wenn allerdings ein Text vorwiegend aus Dialogen besteht, in denen nur Smalltalk geschieht, belanglose Dinge besprochen werden oder die Handlung unnötigerweise angehalten wird, damit Lückenfüller den Text in die Länge ziehen können, verzichte ich gerne auf sie.
Schließlich empfinde ich dialogstarke Bücher meistens als genrespezifisch, und sehe das Potential für reflektierende, spannende Ausführungen mit stilistisch einzigartigem Sprachgebrauch eher in der Beschreibung, in der dementsprechend auch mehr Freiheiten gegeben sind.
Wenn ich an Dialoge denke, denke ich an Unterhaltungsliteratur, Komödien, Satire – und in den meisten Fällen an ein unreflektiertes Grundgerüst (gute Komödiant:innen wie Dürrenmatt oder Bulgakow beweisen hier das Gegenteil, verbleiben jedoch trotzdem eher Ausnahme als Regel).
Sobald es um authentische Introspektiven und tiefgründige Analysen gehen soll, würde ich persönlich sofort intuitiv zur Form der Beschreibung greifen.
Denn der subjektiv interessanteste Dialog einer Lektüre soll schlussendlich zwischen Leser:in und Text stattfinden.
Diese Gedanken wollen im Rahmen unserer Montagsfrage selbstverständlich weder statistisch noch sachlich gewichtige Argumente mit festgelegten Forschungsobjekten sein – auch wenn ein Blick auf meine eigenen aktuellen Lektüren diese Perspektive für mich bestätigt.
Wie würdest Du entscheiden: Lieber Dialog oder Beschreibung?
Worin liegen für Dich die Vorzüge und Fallen eines dialoglastigen Textes?
Auf Deine Gedanken ein den Kommentaren freue ich mich.
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Hey Sandra,
mir viel es auch schwer, mich hier klar zu positionieren, wobei ich lange nicht so tief in die Diskussion eingestiegen bin, wie du. Wow, was für interessante Gedanken, die ich mir zu diesen zwei Gestaltungsmitteln noch nicht gemacht habe. Die Genrespezifität habe ich für mich aber auch festgestellt.
Liebe Grüße
Sophia
Meine Antwort: https://w0rdw0rld.blogspot.com/2021/08/montagsfrage-02082021.html
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Liebe Sophia, danke für den Senf! Ich empfand deinen Beitrag als eine sehr schöne Ergänzung – gerade bei Fantasy oder historisch angehauchten Texten ist es in Dialogen mit kunstvollem Wortgebrauch schön, sich ins Milieu einzuleben – wenn gut geschrieben, können Dialoge da sehr wertvoll sein. 🙂 Lieben Gruß
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Moin Sandra!
…apropos „unterschiedliche Perspektiven“: Ich wäre nie auf die Idee gekommen, Dürrenmatt als Komödianten zu bezeichnen. Aber diese Sichtweise werde ich auf jedem Fall bei meiner nächsten Begegnung mit ihm berücksichtigen. 😉
Lieben Gruß
Andreas
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Hmmm… „Besuch der alten Dame“ und „Die Physiker“… Ich wäre jetzt eigentlich sehr interessiert, zu welcher Sparte du ihn denn sonst zuordnen würdest 😉
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Naja, so ganz spontan hätte ich ihn als Dramatiker bezeichnet! 🤔 (Hm, grübel…!)
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Na sicherlich! Aber ich meine eher Komik als Tragik. Bei Tragikomik ist die Einteilung natürlich keineswegs eindeutig. Aber komplexe Themen mögen wir hier ja zum Glück.
Ahhh, jetzt freue ich mich aber wieder auf den hoffentlich baldigen Theaterbesuch, das und Museen hatte ich am meisten vermisst 🙂
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Das kann ich so gut verstehen: Nach ewigen Zeiten ohne hängen nun wieder die ersten Eintrittskarten an unserer Pin-Wand. Ein wunderbarer Anblick…!!!
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