Die Montagsfrage #44 – Sollte man auf Reisen lesen?

Die Montagsfrage ist ein Dialog, der allerlei Themen bezüglich diverser Aspekte des Literaturbetriebs umfasst. Die Frage wird wöchentlich gestellt von Antonia bei Lauter&Leise.

Heute geht es ums Reisen innerhalb und außerhalb von fesselnden Lektüren – und die Problematik beim Kombinieren der zwei Aktivitäten miteinander.


Da ich mich in dieser Woche im Urlaub befinde und mehrere Bücher sowohl im Koffer als auch im Smartphone mitgenommen habe, bietet sich eine von mir noch nicht beantwortete Frage aus der Backlist-Kiste ganz besonders hervorragend zur Diskussion an.

Die Montagsfrage #44 lautet: Sollte man auf Reisen lesen?

Meine erste Reaktion auf diese Frage war – gewiss niemanden überraschend – selbstverständlich, warum denn nicht?

Doch können eben aus dieser Frage genauso interessante Argumente rausgeholt werden, die gegen das Lesen auf Reisen sprechen.

Antonias Argumentation zum Thema beispielsweise bezog sich auf eine Unterhaltung, aus der sich ergab, dass man durchs Lesen den Ort, an dem man sich befindet, unter Umständen gar nicht erlebt, wenn man in ein Buch vertieft ist und den Ort dadurch nicht sieht, hört oder fühlt.


Die FOMO kann ich in diesem Kontext zwar gut verstehen, würde meinerseits jedoch eher argumentieren, dass ein gutes Buch an einem schönen Ort gelesen zu haben diesen noch fester im Gedächtnis festigen kann.

Beispielsweise habe ich vor einigen Jahren am Balaton liegend im letzten Tageslicht „Song of Solomon“ von Toni Morrison gelesen und erinnere mich mit Freude sowohl an den Ort und den Tag als auch das Buch – denn gehörten diese Teile für mich nun alle zusammen.

Bereits im Jahre 2018 waren die Prioritäten ganz klar gesetzt für Frau Falke: das allerallerletzte Sonnenlicht sollte noch auf sinnvolle Art und Weise genutzt werden. © Sandra Falke / sandrafalke.com

Wo ich ein Problem und eine Gefahr beim Lesen-statt-Erleben sehe, sind Gewohnheitssituationen wie: Lesen im Zug, im Flugzeug, im Auto und in anderen diversen Vehikeln, während der Durchreise.

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So habe beispielsweise ich es mir angewöhnt, im Gehen, Stehen, Sitzen, Fahren und Fliegen ein Buch zu lesen, sei es im E- oder Papierformat. Meine stolzeste Errungenschaft in diesem Kontext war es, als wir noch in Frankfurt wohnten, auf der Zeil unterwegs zu sein und aktiv ein Buch zu lesen, ohne dass mir jemand in die Quere kam.

Fahrten und Flüge sind doch wie gemacht für Lektüren. © Sandra Falke / sandrafalke.com

Sobald man sich allerdings an einem neuen Ort befindet, den man vielleicht nur für einige Tage und dann nie wieder besucht, lohnt es sich natürlich, das Buch aus der Hand zu legen und die tatsächliche Umgebung, auch aus den Fenstern des öffentlichen Personennahverkehrs zwischen Kirche A und Statue B, zu erkundigen. Die ganz normalen Alltagsszenen, die man da erlebt, machen öfters den wertvolleren und unterhaltsameren Teil des Gesamterlebnisses aus.


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Als Tipp zur Lektüre könnte man für die Feineinstellung des belletristischen Unterhaltungsprogramm noch einen Roman wählen, der ebenso am besuchten Ort spielt. Das habe ich persönlich noch nie mit Absicht getan, empfinde es aber sinnvoll als nebenbei-Reiseführer und gegebenenfalls zur Intensivierung des Leseerlebnisses.

Als Tourist verpasst man doch genauso oft die Begegnung mit Einheimischen und erfährt dadurch nie eine authentische Bindung zum besuchten Ort. Eine Geschichte, die dort spielt, kann das Erlebnis und das Leseerlebnis gemeinsam aufeinander wirken lassen.

Beispielsweise habe ich meine Lektüre von Carlos Ruiz Zafón zwar sowieso in Unmengen genossen – konnte dies allerdings umso mehr tun, da ich bereits im Handlungsort der Kurzgeschichten unterwegs war und das genaue Gefühl dieser Orte in meinem Gedächtnis aufrufen kann.


Und zu guter Letzt: ein Reiseführer ist doch ebenso nichts anderes als ein Buch. Und einen Reiseführer hat man doch normalerweise ebenso dabei.

Zumindest gehöre ich noch zu der Generation von Reisenden, die sich nicht hundertprozentig auf ihr Smartphone verlassen.

Denn eher sollte man dieses aus der Hand legen, wenn man den Ort – egal, welchen Ort – an dem man gerade ist, authentisch, unmittelbar und vollständig erleben und wahrnehmen möchte.


Wie verändert sich Dein Leseverhalten während Reisen? Gehören Bücher mit in den Urlaub – warum, und warum nicht?


Auf Deine Gedanken zum Thema in den Kommentaren freue ich mich sehr!




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  1. Vielen Dank für die reichhaltigen Überlegungen! Ich hätte die Frage bislang ohne Bedenken mit einem dezidierten „Ja!“ beantwortet – dass einem Wesentliches auf der Reise entgehe könnte, da man zu sehr in ein Buch vertieft ist, habe ich noch nie bedacht.
    Für mich ist Lesen ein wichtiger Bestandteil des Reisens – häufig versuche ich, Literatur aus dem bereisten Land zu lesen, um mich mit dem Land vertiefter auseinanderzusetzen. Nicht selten wurde ich deswegen angesprochen – in Kolumbien bspw. auf mein Buch von Gabriel García Márquez, in Albanien auf einen von Kadare – so kamen ebenfalls schöne Begegnungen und interessante Gespräche mit Einheimischen zustande!

    Gefällt 1 Person

  2. Bücher gehören unbedingt mit auf Reise. 🙂 Kommt wohl auch auf die Reise an. Aber zumindest im Flugzeug oder der Bahn oder abends auf dem Hotelzimmer vor dem schlafen gehen, lese ich doch recht gern. Da ist schon was dran, dass man den Urlaubsort noch erleben soll. Aber wenn man bspw. einen Strandurlaub macht, fänd ich es doch ohne Lektüre sehr langweilig. Geht man wandern oder hat einen Erlebnisurlaub mit viel Sightseeing, dann eher weniger. So mein Empfinden. Ich lese letzten Endes genau aus dem Grund bei reisen immer weniger als ich im Vorfeld denke/schätze. Aber ich lese immer auf Reisen. 🙂

    Und tatsächlich auch gerne Literatur, die an dem Reiseziel spielt oder von Autor*innen des Reiselandes. Klappt nicht immer, aber manchmal. 🙂

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  1. Die Montagsfrage #43 – Bücher behalten oder aussortieren? – Literarische Abenteuer

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