Die deutsch-englische Autorin, Aktivistin und Herausgeberin Sharon Dodua Otoo (* 1972) gewann 2016 den Ingeborg-Bachmann-Preis und wird auf der deutschsprachigen Literaturlandschaft als charismatische Sprecherin einer neuen Generation gefeiert. Ihr faszinierender, persönlichkeitsstarker Roman „Adas Raum“ – eine eklektische Reise durch Zeiten, Kulturen, Räumen und Biografien – wurde in diesem Blog ebenso bereits besprochen.
Welche Facetten der Autorin werden in der Sammlung „Herr Gröttrup setzt sich hin“ eröffnet – und wie knüpft das schlanke Büchlein erfolgreich am Roman an?

Sharon Dodua Otoo hat in der Sammlung „Herr Gröttrup setzt sich hin“ (2022) bekannte und neue Kurzformen vereint – und ist ihrem ganz besonderen Bukett von Stil, Form und Inhalt auch im Vergleich zum Roman „Adas Raum“ vollständig treu geblieben.
Die Sammlung besteht aus einer humorvollen Erzählung mit kuriosem Perspektivenwechsel, einer erhellenden rassismuskritischen Rede und einem reflexiven Brief ans Ich der Vergangenheit.
Mittels der Kombination dieser drei Kurzformen wird das vielschichtige Portrait Otoos als Autorin und Person meiner Meinung nach recht treffend skizziert – da sowohl die Auseinandersetzung mit den eigenen Persönlichkeiten, die Faszination mit der mythischen Seite der Welt und der rassismuskritische Aktivismus in der Sammlung zur Geltung kommen.
Für „Herr Gröttrup setzt sich hin“, einer bereits erschienenen Kurzgeschichte, wurde Otoo der Bachmann-Preis verliehen. Mit Ironie und Scharfblick zeigt die Geschichte eine idyllische Frühstücksszene aus dem Leben eines alten weißen Mannes – deren sämtliche Existenz vollständig durchgerüttelt wird, als sein Frühstücksei eine unerwartete Konsistenz aufweist.
So gerne ich die entsprechende Stelle zitieren würde, verzichte ich aufgrund des genüsslichen Lachmoments, den ich Dir, werte*r Leser*in, ebenso nicht vorenthalten möchte. Spontan und ohne Vorwissen ist dieser Moment am besten zu genießen.
Was die werte Ehegattin, die Herrn Gröttrups tägliches Frühstück mit routiniertem Geschick anrichtet, über die Situation denkt – und ob sie in dem Missgeschick auch ein Händchen im Spiel hatte?
Aufgelöst wird sowohl dieses als auch so manch anderes Mysterium – doch zusätzlich wird die Perspektive eines unerwartet aktiven Mitglieds der beschriebenen Konstellation einbezogen.
Auch das Ei selbst meldet sich zu Wort.
In der rassismuskritischen Rede „Dürfen Schwarze Blumen malen?“ (Klagenfurter Rede zur Literatur 2020), ausgestattet mit zahlreichen sympathischen Zeichnungen, reflektiert Otoo über die ewige Position des Schwarzen Individuums als zweitrangiger Bürger und hebt zudem hervor, warum „Schwarz“ im Sinne von Schwarzen Menschen gegenwärtig, zukünftig und rückblickend grundsätzlich großgeschrieben werden sollte.
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Dass die rassismuskritischen Schreibweisen Schwarz und weiß sich mittlerweile zumindest in Schwarzer Literatur befestigt haben, ist mit Freude bei deutschen Autor*innen wie Tupoka Ogette, Michaela Dudley und vielen anderen zu beobachten.
Es handelt sich um eine meines Erachtens enorm wichtige Differenzierung, deren kulturhistorische Hintergründe Otoo in eine sensibilisierte, wertungsfreie Atmosphäre verlegt: das Malen von Blumen.
Auf eine geradezu kindlich-naive Art, kombinatorisch mit wonnig wirkenden Blumenzeichnungen, seziert Otoo einen essenziellen soziokulturellen Brennpunkt und erörtert die Wichtigkeit von Rassismuskritik und antirassistischem Handeln.
Otoo geht in ihrer Argumentation sicher, elegant, scheinbar gar leichtfüßig voran – die historischen Ketten ihrer Vorfahren jedoch nie vergessend.
Im Nachhall bilden sich für kreative Lesende implizite interpretative Verknüpfungen und interessante Symbolebenen in Bezug zu Herrn Gröttrup – der mit Sicherheit nie ahnen würde, dass auch ein Ei eine eigene Stimme besitzen kann.
Alteingesessene Mentalitäten, die man auf einige andere Sphären übertragen könnte…
„Sicherlich sind auf Deutsch schreibende Menschen
afrikanischer Herkunft in der hiesigen Literaturlandschaft rar.
Was nun?
Hat die männliche Dominanz Ingeborg Bachmann
vom Dichten abgehalten? Wohl kaum.“(59)
Im bisher unveröffentlichten Text „Härtere Tage“ vereint Otoo persönliche Facetten am deutlichsten mit kulturhistorischen und soziokulturellen Brennpunkten, die sie als Autorin und Person stets bekämpft, behandelt und thematisiert.
Die Geschichte ist als Brief an eine jüngere Sharon verfasst – doch spricht die Autorin sowohl sich selbst als auch anderen Schwarzen Menschen Mut für die Zukunft zu.
Sharon Dodua Otoos Erzählband „Herr Gröttrup setzt sich hin“ überzeugt mit Form, Inhalt und Themenvielfalt. Als Mangel bleibt nur der Umfang hervorzuheben – gerne hätte ich weit mehr als knapp sechzig Leseseiten von der Autorin geschmökert.
Hier geht’s zur Leseprobe.
Bibliografie:
Titel: Herr Gröttrup setzt sich hin
Autor*in: Sharon Dodua Otoo
64 Seiten | 18,00 € (D)
Erscheinungsdatum: 27.07.2022
Verlag: S. Fischer
ISBN: 978-3-10-397185-9
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