Die Montagsfrage #99 – Wie nützlich findet ihr die Buchpreisbindung?


Herzlich willkommen zu meinem ersten Beitrag zur Montagsfrage!

Die Montagsfrage ist ein Dialog, der allerlei Themen bezüglich diverser Aspekte des Literaturbetriebs umfasst. Die Frage wird wöchentlich gestellt von Antonia bei Lauter&Leise.

Heute geht es um das Thema Buchpreisbindung.



Zunächst stellte sich die Frage: Wieso haben manche Länder eigentlich die Buchpreisbindung und andere nicht? Denn auch als Mitglied der EU ist die Lage bezüglich der Buchpreisbindung recht unterschiedlich: in manchen Ländern existiert sie, in anderen Ländern wurde sie wieder aufgehoben. Diverse Gründe werden hierfür hervorgehoben, doch scheint die einheitliche Einführung der Buchpreisbindung aus allen möglichen Perspektiven eher Vorteilhaft zu sein.

Maßgebend für die eigentliche Argumentation sollte die Definition des Buches als Kulturgut sein, die die wirtschaftliche Regulierung des Buchhandels gemäß des ideologisch-pädagogischen Wertes von einem Buch per se übertreffen sollte.

Da eine ideologische Argumentation in einer kapitalistischen Gesellschaft keinerlei Bedeutung hat, rückt die andere Seite der Definition in den Vordergrund.


Betrachtet man das Buch nun als Wirtschaftsgut, hilft die Buchpreisbindung zur Regulierung der Konkurrenz: kleinere Geschäfte können sich eher über Wasser halten, auch wenn sie trotz entsprechend kleinerer Bestellmengen für Neuerscheinungen die gleichen Preise anbieten können. Diese Balance würde durch die Aufhebung der Buchpreisbindung nämlich sofort verloren gehen.

Soweit es um neueste Erscheinungen geht, ist mir das bestehen bleiben des unabhängigen Buchhandel grundsätzlich wichtiger, als irgendwo ein Schnäppchen zu machen. Und dass Buchhandlungen als Zufluchtsort, Oase, Anlaufstelle für gleichgesinnte Kulturfreunde, für einen kulturellen Dialog von zentraler Bedeutung sind, versteht sich ja wohl von selbst.



Ein weiterer Aspekt und Marktanteil sind fremdsprachige Bücher, die der Preisbindung nicht unterliegen. Den Effekt der Diversität merkt man vor allem bei den „Klassikern“, wo scharfe Konkurrenz zwischen unterschiedlichen Englischen und US-Amerikanischen Verlagen besteht. Die Amplitude der Angebote ist beeindruckend: Einige Verlage bemühen sich explizit um den Druck von möglichst günstigen Exemplaren, wohingegen andere ausschließlich geschnörkelte Instagram-taugliche Hardcover herstellen. An dieser Stelle siegt die persönliche Präferenz.


Schnäppchen und Bündel, was Klassiker, fremdsprachige Literatur oder Sets betrifft, werden im kleinen Buchhandel des Öfteren auch nach dem Geschmack und Vorlieben der Mitarbeiter kuratiert, was dem Geschäft dementsprechend auch ein persönliches Flair gibt. Auch hier siegt oft der persönliche Geschmack, die visuelle Ansprechbarkeit – und die konkrete Auswahl vor Ort.

Ich persönlich habe beispielsweise seltener im Hugendubel Frankfurt oder Thalia Berlin meine Herzenswünsche erfüllen können als im Roten Stern in Marburg oder Ocelot in Berlin.


Ein wenig kommt es bei der Frage nach der Nützlichkeit der Buchpreisbindung vor allem auf die Rolle der Person innerhalb des Literaturbetriebs an: Ist man Autor, Rezensent, Lektor, Blogger, Leser oder Buchhändler? Diese Differenzen beziehen sich meines Erachtens jedoch ebenso auf die wirtschaftliche Seite des Buchmarktes, deren Nützlichkeit für einen vielfältiges Marktangebot und das Verhindern des Aussterbens an kultureller Individualität kleinerer Buchhandlungen bereits nachgewiesen wurde.

Die Frage „Nützlichkeit“ stellt sich schließlich erneut im Kontext der großen und kleinen Verlage und unbekannter Autoren, da nach einer Studie an der Liebig-Universität in Gießen „Buchhandlungen eine entscheidende Rolle bei der Förderung weniger bekannter Autorinnen und Autoren und unbekannter Titel“ tragen. Konkret diese Symbiose bindet nun alle Teilnehmer des Literaturbetriebs aneinander, und nun profitiert jedes Mitglied der literarischen Landschaft von der kulturellen Vielfalt, wirtschaftlichen Konkurrenzfähigkeit und ideologischer Instandhaltung einer Augenhöhe zwischen allerlei Verlagen, Autoren und Buchhandlungen.

Woraus schlussendlich auch der Leser am meisten Nutzen zieht. Und – als argumentative Garnierung – ist am Ende jeder irgendwann auch Leser.


Insofern dient nach meinen Eindrücken die Buchpreisbindung vor allem dazu, die Rolle des Buches als Kulturgut zu stärken und die Rolle als Wirtschaftsgut zu regulieren. In beiderlei Hinsicht ein Verdienst, den man durchaus schätzen sollte.


Es ist ein ungemein spannendes Thema, worüber auch bereits Arbeiten im Umfang einer Dissertation veröffentlicht worden – doch aktuell wird laut meiner Recherchen eher wenig über das Thema diskutiert. Daher an dieser Stelle nochmal ein herzliches Dankeschön an Antonia für die Initiative.


Über eure Resonanz freue ich mich in den Kommentaren!

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1 Antwort

  1. Hallo Sandra,

    willkommen bei der Montagsfrage und guten Blogstart. 😉

    So lange dadurch wirklich auch Nachwuchsautoren gefördert werden, soll mir die Buchpreisbindung recht sein. Mehr Vielfalt kann nie schaden. Wobei ich glaube, dass durch Selfpublishing auch schon viel mehr Autoren auf dem Markt sind, als noch vor einigen Jahren.

    LG

    Torsten

    Montagsfrage bei Torsten’s Bücherecke:https://www.torstens-buecherecke.de/montagsfrage-wie-nuetzlich-findet-ihr-die-buchpreisbindung/

    Gefällt 1 Person

    • Hallo Torsten, vielen Dank für das Kommentar! Die Sache mit E-books, die Du angesprochen hast, finde ich auch sehr bedenklich, da müsste zwecks Fairness noch einiges passieren. Ob das nicht sogar eine eigene Montagsfrage wert wäre? 😉 Ich wünsche Dir einen guten Wochenstart! 🖤

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  2. Liebe Sandra,
    vielen Dank für Deinen tollen Bericht, der mir aus der Seele spricht.
    Natürlich ist vieles noch nicht bewiesen, bzw. wir wissen nicht, wie der deutsche Buchmarkt sich entwickelt ohne Buchpreisbindung. Aber um es zu wissen, müssen wir es auch unbedingt ausprobieren?
    Im großen und ganzen funktioniert dieses Prinzip doch ganz gut, und die Auseinandersetzung mit der Buchpreisbindung ist für mich eher „leiden auf hohem Niveau“.
    Liebe Grüße
    Andreas

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    • Lieber Andreas,
      danke für Dein Kommentar. Ich habe auch in Deinem Beitrag einige interessante Punkte gefunden: die Frage nach dem Preis für Kultur, und die teils unverschämte Logik dafür, wofür man wie viel ausgibt (neue Handtasche versus Museumsticket, Autowäsche versus Werkausgabe etc.) wäre wahrscheinlich auch eine spannende Montagsfrage 😉
      Die wissenschaftlichen Aspekte bzgl. wirtschaftlicher Auswirkungen waren mir dann auch zu hohe Musik, weswegen ich darauf nicht näher eingegangen bin, sondern lediglich die Links im Text zur Verfügung gestellt habe. Man kann ja bekannterweise – in Theorie – über so ziemlich alles eine Dissertation verfassen 🙂
      Ich bin eben auch, wie Du, der Meinung, dass der Wert von Kulturgütern, Wert im Sinne wirtschaftlich und ideologisch, nicht umkämpft werden sollte. Und da die Buchpreisbindung diesen Status quo unterstützt, bin ich auch dafür.
      Lieben Gruß,
      Sandra

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  3. Ich muss sagen dass ich die Pro-Argumente nicht nachvollziehen kann. Für mich kann ich drei Argumente herauslesen:
    1) Ein Buch ist ein „Kulturgut“, daher sollte es keinen Preiskampf geben. Das Argument macht für mich keinen Sinn, ich kann nicht erkennen dass in Märkten die Bücher nicht als „Kulturgut“ betrachten mehr oder weniger Ramsch veröffentlicht wird als in Deutschland. Ansonsten halte ich „Kulturgut“ für eine leere Worthülse.
    2) Schutz kleiner Buchhandlungen. Das Argument macht für mich Sinn – sofern man kleine Buchhandlungen für besonders Schützenswert hält. Als jemand der 99,9 seiner Einkäufe online erledigt ist mir das Thema allerdings nicht wichtig. Und mit genug Kreativität und einem echten Service-Anspruch sollten sich Buchhandlungen auch halten können und müssen, ohne dass der Staat in die Wirtschaft eingreifen muss.
    3) Quersubventionierung von neuen Autoren / Nischenthemen: meines Wissens nach gibt es keine Belege dafür dass eine Buchpreisbindung tatsächlich dazu führt.

    Insofern halte ich das ganze für einen Eingriff in den freien Markt, was (für mich) generell abzulehnen ist, sofern keine echten triftigen Gründe vorliegen. Sollten mir diese entgangen sein lasse ich mich natürlich gerne eines besseren belehren.

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