Literarische Abenteuer. Der Lesemonat im Rückblick, 04/2021

Und schon ist er verflogen, der Monat April… mit einer Vielfalt an positiven und herausragenden Leseerlebnissen haben die gelesenen Bücher mich gefüllt.

Im Monatsrückblick lasse ich nun nochmal die Eindrücke der vergangenen Wochen in chronologischer Reihenfolge Revue passieren.


Bei den Buchvorstellungen der Monatsrückblicke halte ich mich immer kurz und bündig – zur tiefergehenden Rezension und Analyse der Romane folge den jeweiligen Links hinter den Buchtiteln. Soweit vorhanden, verlinke ich in diesen auch immer zur Leseprobe.

Im Folgenden meine Eindrücke und Gedanken zum Lesemonat April.

Ferdinand von Schirach: „GOTT“

© Luchterhand

Mit Kurzgeschichten hat Ferdinand von Schirach die deutsche Literaturwelt erobert, nun probiert der Autor sich mit Theaterstücken aus. Was steckt hinter dem provokativen Titel, und ist der Inhalt wirklich bühnentauglich?

Die Geschichte dreht sich grundlegend um den 78-jährigen Witwer Richard Gärtner, der nach dem Tod seiner Frau nicht mehr weiterleben möchte, obwohl er körperlich und geistig gesund ist. Eine Ethikkommission bespricht den Fall Gärtner und bringt unterschiedliche Perspektiven zum Suizid und Suizidhilfe aus Perspektiven von informierten Spezialisten zutage.

Man kann sich keine klare Meinung zu solchen Themen bilden, ehe man sie reflektiert hat, und von Schirach tut der breiteren Öffentlichkeit den Gefallen, sie auf seine Gedankenreise mitzunehmen.

Man muss sich als Leser zu Beginn des Stückes entscheiden, ob die Bereitschaft besteht, über so ein gehaltvolles Thema zu diskutieren – es ist zunächst nicht einfach, in die Materie reinzuschlüpfen.

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Yaa Gyasi: „Heimkehren“

© DuMont

„Heimkehren“ ist ein generationenübergreifender Roman über Kolonialismus, Rassismus, Identitätsfindung und unsichtbare Spuren der Vorfahren, die tief in der Seele ihrer Kinder hinterlassen werden. Die aus einzelnen Geschichten bestehende Erzählung folgt den Schwestern Effia und Esi, deren Nachkommen auf gegenüberstehenden Seiten des transatlantischen Sklavenhandels positioniert werden. Die Schwestern lernen einander nie kennen – dennoch bleiben die unsichtbaren familiären Fäden zwischen ihnen bestehen.

Effia heiratet einen weißen Sklavenhändler, Esi hingegen wird als Sklavin nach Amerika verkauft. Jedes Kapitel des Romans verfolgt das Leben eines Nachkommens der beiden Schwestern. Zahlreiche Generationen an Söhnen und Töchtern werden aneinandergereiht, sodass schließlich eine generationenübergreifende Familiengeschichte entsteht.

Gyasi erforscht Jahrhunderte an Schwarzer Historie – beginnend in Ghana über die konfliktreiche Historie der ghanaischen Stämme der Asante* und Fante führt die Erzählung weiter zu den Plantagen der US-Amerikanischen Südstaaten über die Kohleminen in Alabama hin zu den Jazzkellern und Drogenhäusern Harlems.

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Kazuo Ishiguro: „Klara und die Sonne“

© Random House

Ishiguro schildert im neuen Roman „Klara und die Sonne“ die Realitätswahrnehmung von Klara, einer KF oder auch Künstlichen Freundin, auf ihrem Weg zur Erfüllung der einzigen Mission für das absolute Glück – Gefährtin eines heranwachsenden Jugendlichen zu werden.

Ishiguro entwirft eine Dystopie mit vielen komplizierteren Ebenen. Die sich dem Leser durch Klaras Augen öffnende Welt, im ersten Teil des Romans auf den Ladenraum und den Blick aus dem Schaufenster begrenzt, besteht aus einsamen Individuen und Klassen, zwischen denen eine tiefe Kluft herrscht.

Ganz klar ist hier das herausragende erzählerische Talent Ishiguros zu erkennen, der sich für ein ruhiges Tempo in reflexivem Ton entscheidet, die Handlung gezielt in diverse sehr interessante Richtungen lenkt und sich zu guter Letzt für eine in vielerlei Hinsicht enttäuschende, dennoch realistische Endlösung entscheidet.

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„Klasse und Kampf“

© Ullstein

Sharon Dodua Otoo, Bov Bjerg und Lucy Fricke sind nur einige von den vierzehn Erzähler:innen, die mit ihren Geschichten sehr persönliche Seiten von sich an die anonyme Öffentlichkeit preisgeben. Bewundernswert, und zum Teil unglaublich verstörend – denn es entspricht weiterhin den Tatsachen, was diese Geschichten über Diskriminierung und Klassenunterschiede preisgeben.

Es sind Kindheitserinnerungen aus winzigen Wohnungen mit kleinen Fenstern und vollen Bücherregalen. Schulausflüge, die eine zusätzliche Doppelschicht bedeuteten. Abgetragene Kleidung. Aldi-Marken. Erfahrungen mit Schulkamerad:innen aus „besseren“ Häusern. Grenzen. Freiheiten. Ab und zu Selbstvergessenheit. Die Widersprüchlichkeiten zwischen dem Wert eines Berufs und eines Studiums. Die unterschiedlichen Wertvorstellungen in Ost- und Westdeutschland.

Bereits die Verletzlichkeit des sich Preisgebens erzeugt ein hohes Maß an emotionaler Resonanz beim Lesen der Erzählungen. Die Autor:innen haben den Mut, sich als zeitgenössisch gefeierte Individuen zurück in die stinkenden, schmutzigen, strapazierenden Umstände ihrer ersten Jobs zu platzieren und weder ihr Publikum noch sich selbst vergessen zu lassen, wo sie herkommen. Es zeugt von Stärke und dient als Vorbild, um ungemütliche Diskussionen über soziale Ungleichheit und die Gründe solcher Umstände weiterzuführen.

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Annalena McAfee: „Blütenschatten“

© Diogenes

„Blütenschatten“ begleitet die 60-Jährige Eva auf dem Weg zum Höhepunkt ihrer künstlerischen Karriere. Die Künstlerin ist durch das Porträtieren von Blumen bekannt geworden und fertigt nun eine Reihe an Gemälden hochgiftiger Pflanzen an. Zeitgleich wird Evas Ehe seziert – denn die Künstlerin hat endgültig beschlossen, sich von ihrem Ehemann zu trennen und ihren jungen Liebhaber Luka als festen Partner in ihrem neuen, selbstständigen Leben zu installieren.

Die Zukunft erscheint vielversprechend. Nicht nur Evas künstlerisches Schaffen blüht neben Luka auf – sie findet ihr Verlangen nach körperlicher Liebe wieder. Doch unerwartet schleichen sich unangenehme Elemente ihrer tumultuösen Vergangenheit wieder in Evas Leben ein und plötzlich steht ihre gesamte Karriere auf dem Spiel…

Selten habe ich eine so unsympathische Protagonistin gelesen, wie Eva es ist. Ihre zwischenmenschlichen und sozialen Kapazitäten lösen genauso viel Ärger, Antipathie und Missgunst aus, wie ihr Werk und ihre Arbeitsmoral an Bewunderung erzeugten. Die Antipathie kann der Geschichte in ihren dem Gesamteindruck jedoch nichts anhaben: Die facettenreiche Handlung hält ihre Spannung bis zur letzten Seite; die Figuren übertrumpfen einander geradezu in ihrem gegenseitigen und individuellen Antagonismus.

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Und nun bin ich gespannt auf eure Empfehlungen, Highlights und Enttäuschungen aus dem Lesemonat April.

Auf den Austausch in den Kommentaren freue ich mich!


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