Amerikanisch-Chinesische Autorin und Journalistin Te-Ping Chen schreibt in ihrem literarischen Debüt über Menschenrechte, Politik, Macht – und köstliche Nudeln.
In zehn Kurzgeschichten bindet Chen realistische und fantastische Eindrücke zu einem eindrucksstarken Panorama des heutigen China.

Chen arbeitete als Korrespondentin für das Wall Street Journal in Peking und Hong Kong – ihre authentischen, realistischen Eindrücke werden in „Ist es nicht schön“ mit Storys vermischt, die am besten als magischer Realismus beschrieben werden können.
Es entsteht ein eklektischer, gefühlsstarker, spannender Gesamteindruck.
Bereits die erste Story „Lulu“, erzählt aus der Perspektive des Zwillingsbruders der Titelfigur, wirft einen erschreckenden Schatten auf die Sachlage, was Meinungsfreiheit, Redefreiheit und Pressefreiheit betrifft.
Die Lebenspfade der Zwillingsgeschwister divergieren auf krasseste Art und Weise. Der Bruder folgt dem von seinen Eltern vorgeschriebenen Pfad: Studium, Ehe, Karriere. Lulu jedoch engagiert sich für Gerechtigkeit. Sie nimmt an Protesten teil, äußert sich gegen das Regime und gründet einen Blog, in dem sie sich für Freiheit und Gleichheit einsetzt und Videos über Polizeibrutalität teilt.
Aktivitäten, die im europäischen Raum erlaubt und ohne Konsequenzen wären, enden mit mehreren Haftstrafen für die junge Frau. Die Story verfolgt ihren Werdegang und bietet unterschiedliche Perspektiven auf ihre Ideologie: sowohl der Verlobte, der Bruder als auch die Eltern kommen zur Sprache.
„Wenn man sein eigenes Land verstehen will,
ist man auf bestem Weg, ein Krimineller zu werden.“(21)
Auch Stories wie „Hotline Girl“ oder „Big in Shanghai“ zeigen makabre Perspektiven auf die Existenz junger Frauen als Einzelperson in einer Millionenstadt, ohne Halt und Sicherheit, ohne soziales Netzwerk. Bayi arbeitet für ein Call Center, Xiaolei in einem Blumengeschäft – beide träumen von einer besseren, reicheren, komfortableren Existenz und haben dennoch das Heimatdorf hinter sich gelassen, um sich im wahrsten Sinne des Wortes täglich durch die Massen zu kämpfen, nur um ihre Arbeitsstelle zu erreichen.
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Diese individuelle Einsamkeit in der Großstadt und die geradezu absurden Größenverhältnisse, die den Einzelnen als bedeutungslosen Sandkorn hinstellen, beschreibt Chen auf eine sehr feinfühlige, beunruhigende Art und Weise.
Und dann sind da die etwas absurderen, mit Satire gemischten Storys über merkwürdige Früchte, die Glücksgefühle erzeugen – und einer in einer U-Bahn-Station entstandenen Siedlung.
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Zu guter Letzt wird auch die Kluft zwischen Ost und West anhand von jungen Männern und Frauen thematisiert, die eine Karriere in den Vereinigten Staaten anstreben und für den Traum von Erfolg ihr Heimatdorf verlassen haben.
Auf treffsichere Art und Weise spielt Chen mit milden und radikalen Variationen dessen, was man als Kulturschock begreifen kann – von der radikalen Philosophie einer gesunden Ernährung bis hin zur Wertlosigkeit des Einzelnen in der familiären sowie staatlichen Hierarchie.
So zieht die Autorin einen eleganten Bogen bestehend aus interessanten Einzelperspektiven, satirischen Perlen und skurrilen Begebenheiten – von Atlantic City nach Peking, vom Grand Canyon nach Shanghai, mit Zwischenstopp in zahlreichen chinesischen Dörfern.
Die einzige Kritik für diese faszinierende Sammlung ist ihre Länge. Viele der Figuren hätte ich gerne besser kennengelernt. Das spricht allerdings eigentlich ebenso nur für die Autorin, die es geschafft hat, beeindruckend viele Informationen und kulturelle Nuancen in physisch recht kurze Texte einzubetten.
Welche Chinesischen und Amerikanisch-Chinesischen Autor:innen, neuer oder älter, sollte man unbedingt gelesen haben?
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Bibliografie:
Titel: Ist es nicht schön hier
Autor:in: Te-Ping Chen
Übs.:in: Anke Carolin Burger
Seitenzahl: 251
Erscheinungsdatum: 16.08.2021
Verlag: Aufbau
ISBN: 978-3-351-05081-8
Beitragsbild © Wendy Wey / pexels.com.
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